Anleger trotzen dem „Renzirendum“ – Dax springt auf 10.700 Punkte

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Heftige Turbulenzen waren befürchtet worden. Doch das Aus für die Verfassungsreform in Italien sorgt Anleger kaum - im Gegenteil.

Der deutsche Aktienmarkt steht einmal mehr ganz im Zeichen der Politik. Nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum in Italien und dem angekündigten Rücktritt des Ministerpräsidenten Matteo Renzi rückt die europäische Schuldenkrise in den Fokus als in den vergangenen Wochen – zumal am Montag auch die Finanzminister der Eurogruppe zusammenkommen, um über die Lage Griechenlands beraten.

Der Start in die Woche fiel aber deutlich entspannter aus als viele Experten nach einem Scheitern des italienischen Verfassungsreferendums befürchtet hatten. So verlor der Euro am Montagmorgen zwar zunächst an Wert, konnte seine Verluste aber rasch wieder wett gemacht. Ein Euro kostete zuletzt 1,0659 US-Dollar. Er liegt damit wieder auf dem Niveau vor der Bekanntgabe der Ergebnisse. In Reaktion auf den Ausgang der Abstimmung in Italien war die Gemeinschaftswährung zwischenzeitlich fast bis auf 1,0506 Dollar gefallen.

Am deutschen Aktienmarkt notierte der Dax sogar deutlich in der Gewinnzone, nachdem bereits die Märkte in Asien meist besonnen auf den Ausgang des Referendums reagiert hatten. Nach einem Handelsstart bei gut 10.500 Punkten sprang der deutsche Leitindex weit ins Plus. Knapp eine Stunde nach Handelsstart notierte er bei mehr als 10.700 Punkte. Das bedeutete ein Plus von fast 2 Prozent. 

EZB als Rettungsanker

In den politisch unsicheren Zeiten schlägt zudem positiv zu Buche, dass die Europäische Zentralbank (EZB) wohl weiter für Beruhigung sorgen wird. Auf seiner Sitzung am Donnerstag dürfte der EZB-Rat beschließen, das Anleihenkaufprogramm zur Stützung der Wirtschaft um vermutlich sechs Monate zu verlängern, schrieb Analyst Michael Schubert von der Commerzbank.

Ob die EZB die Geldschleusen noch weiter öffnet, hänge aber von der Reaktion des Rentenmarkts auf das Italien-Referendum ab – “konkret: wie die Risikoaufschläge italienischer Staatsanleihen in den nächsten Tagen handeln. Bleiben diese in verträglichem Rahmen, ist unwahrscheinlich, dass die EZB-Ratsmitglieder so sehr von Krisenangst getrieben werden, dass sie überreagieren,” so Commerzbank-Devisenexperten Ulrich Leuchtmann.

Die EZB wird ihrem Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau zufolge die Folgen des Verfassungsreferendums in Italien genau beobachten. Das Scheitern der Verfassungspläne und der angekündigte Rücktritt von Ministerpräsident Renzi könnten zwar für weitere Verunsicherung sorgen, sagte der französische Notenbank-Chef. Das Referendum sei aber nicht mit dem Brexit-Votum zu vergleichen.

Rückschlag für die EU

Gleichwohl ist das Scheitern Renzis nach dem Ja der Briten zu einem EU-Austritt ein neuer Schlag für Europäische Union. Denn in Italien sieht nun die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung Rückenwind und forderte Neuwahlen. Die Commerzbank erwartet allerdings keinen raschen Urnengang. “Dass die Märkte im asiatischen Handel gefasst reagierten, liegt auch daran, dass Staatspräsident Sergio Mattarella eine Übergangsregierung einsetzen möchte, die das Wahlrecht zu Lasten der Fünf-Sterne-Bewegung ändern könnte”, kommentierte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, das Abstimmungsergebnis.

An den Finanzmärkten wuchsen im Zusammenhang mit dem Referendum zuletzt Sorgen um die Stabilität des hoch verschuldeten Italiens mit seinem angeschlagenen Bankensystem. Auch ein Wiederaufflammen der Euro-Krise wurde für möglich gehalten. Für italienische Geldinstitute mit zahlreichen risikobehafteten Krediten dürften Sanierungsschritte nun schwieriger werden. 

Italienische Finanztitel unter Druck

Der italienische Leitindex FTSE Hinzufügen Hinzufügen MIB Hinzufügen Hinzufügen hat zum Handelsstart am Montag mit einem deutlichen Minus auf das gescheiterte Verfassungsreferendum reagiert. Die Mailänder Leitbörse rutschte kurz nach der Eröffnung um 2 Prozent auf 16.741 Punkte ab, konnte aber im weiteren Handelsverlauf ihre Verluste reduzieren. 

Bankwerte kamen am Montagmorgen besonders stark unter die Räder. Vorbörslich hatten die Aktien von Unicredit Hinzufügen Hinzufügen rund 4 Prozent verloren, Intesa Sanpaolo Hinzufügen Hinzufügen mehr als 5 Prozent. Generali büßten etwa zwei Prozent ein. Für die angeschlagene toskanische Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) ging es um annähernd 8 Prozent runter. Im Börsenhandel jedoch fielen die Verluste nicht mehr ganz so deutlich aus.

Das Schreckessszenario vieler Anleger, einen Austritt Italiens aus der Eurozone, bleibt nach Einschätzung der Berenberg-Bank aber unwahrscheinlich. “Das Risiko hat etwas zugenommen – wenn auch nicht stark”, kommentierte Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Nach der Beibehaltung des bisherigen Verfassungssystems bleibe es schwierig, einen Euro-Austritt umzusetzen.

OnVista/dpa-AFX/Reuters
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