Börsen im Notenbank-Karussell

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Normalerweise gibt der Leitwolf vor, in welche Richtung es geht. Unter den Börsen ist vollkommen unbestritten, wer der Leitwolf ist: Die Wall Street. Sie herauszufordern wäre ein von Beginn an zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Wie auch, Millionen von Anlegern hampeln der New Yorker Börse hinterher. Dieses Gesetz ist daher ohnehin nicht von einem oder ein Paar Marktakteuren zu steuern. Vieles, was den Börsen passiert, ist nicht logisch. Wohl war. Doch dass die Wall Street die Leitbörse ist, hat auch seinen Sinn. Nach wie vor ist die USA die größte Volkswirtschaft der Welt. Hier notieren extrem viele international agierende Unternehmen, die damit ein Seismograph für die weltweite Konjunkturentwicklung sind.

Erstmalige Abkopplung

Seit Jahresbeginn allerdings hat sich etwas Wundersames ereignet. Während die US-Börsen im Minus liegen, hat der DAX und haben auch andere europäische Börsen deutlich zugelegt. 1985 habe ich meine Börsianer-Karriere begonnen. Kaufte mit IBM meine ersten Aktien. Doch in diesen nun 30 Jahren Börsenerfahrung kann ich mich an keine Phase erinnern, in der es eine solche Abkopplung gegeben hätte und in der die Märkte unterschiedliche Richtungen nahmen. Outperformance des einen gegenüber dem anderen Markt, das gab es, aber nicht unterschiedliche Richtungen. Dass es hierzulande normalerweise runter geht, wenn es in den USA abwärts geht, liegt auch daran, dass rund die Hälfte aller großen deutschen Aktien in Händen von Ausländern liegen. Und hier viele in den USA. Verkauften die ihre Aktien, dann schmissen sie vor allem auch die ausländischen heraus, warum der DAX vor allem nach unten die Wall Street outperformte.

Das Notenbank-Karussell

Aktuell scheinen die US-Anleger aber umzuschichten. Raus aus US-Aktien und hinein in europäische Titel. Die Logik ist simpel. In den USA kauft die Notenbank aktuell keine Anleihen mehr. In Europa beginnen diese im März. Deshalb hat auch der Euro schon kräftig abgewertet. Das erhöht die Gewinnmargen und Exportchancen der europäischen Unternehmen und senkt die der US-Konzerne. Die Notenbanken werden damit immer stärker Dirigenten der Aktientendenz und zwar auch mit regionalen Unterschieden. Es dreht sich ein Karussell. Erst die USA, dann Japan und nun Europa. Aktien muss der Anleger folglich immer da haben, wo die Notenbank aktiv ist, derzeit wären dies Europa und Japan.

Seit zwei Tagen allerdings ist es mit der relativen Stärke des DAX vorbei. Hält sich die Wall Street auf diesem Niveau, dann mögen die europäischen Aktien weiter haussieren. Ab einer gewissen Abwärtsdynamik an der Leitbörse rechne ich aber auch mit einem Einbruch an den europäischen Börsen und ab einem gewissen Punkt wohl auch wieder mit überproportionaler Fallgeschwindigkeit.

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