Das China-Syndrom

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Erst mal aufatmen, dass der Dax den 10.000er zurückerobert hat (hoffentlich stimmt’s noch, wenn Ihr diese Zeilen lest). Jetzt einzusteigen, kann ich aber nur denjenigen ohne Wenn und Aber empfehlen, die sich fürs neue Jahr einen langfristigen Aktiensparplan zur (Alters-)Vorsorge vorgenommen haben - für sich selbst oder die Kids. Ansonsten bin ich - obwohl ein bullischer Fuchs - der Meinung, die erfahrene Händler schon früher (als Börse noch Börse war) in solchen Situationen vertraten: Lasst den Aktienmarkt sich erst einmal richtig auskotzen, bevor Ihr wieder mitmacht! Also bitte jetzt nicht auf Das-waren-die-Tiefstkurse spekulieren, es sei denn, Ihr wollt traden oder zocken.

Nachdem Analysten und Medien das China-Syndrom von allen Seiten beschrieben haben, will ich heute einige Gegenargumente bringen, die mir von deutschen und internationalen Anlagestrategen seit gestern geliefert worden sind. Sozusagen als Trost in der Panik. Bei der Gelegenheit als Erinnerung: Der Titel „Das China-Syndrom“ ist ein voll spannender Katastrophenfilm der Amis aus dem Jahr 1979 mit Jane Fonda, Jack Lemmon und Michael Douglas, der sich kritisch mit der wirtschaftlichen Nutzung der Kernenergie auseinandersetzt. Im Mittelpunkt des Films, den ich mir schon paarmal reingezogen habe, steht ein fiktiver Störfall in einem Kernkraftwerk, der seine Ursache sowohl in technischem als auch in menschlichem Versagen hat. Passt irgendwie auch zur Börse, denn das aus dem Griechischen stammende Wort Syndrom bedeutet das ja gleichzeitige Vorliegen verschiedener Krankheitszeichen.

Einer unserer Top-Analysten, den ich echt gut finde, weist darauf hin, schon im letzten Sommer habe sich gezeigt, dass der momentan viel zitierte Zusammenhang zwischen Aktienmarkt und Konjunktur in China so überhaupt nicht gegeben ist. Weder taugten die Aktienmärkte in der Vergangenheit als Frühindikatoren für das Wirtschaftswachstum, noch gehen vom Auf und Ab des Marktes nennenswerte Effekte auf die chinesische Konjunktur aus. Gleichzeitig sollte der Verfall des Ölpreises per Saldo einen positiven Einfluss auf die globale Konjunktur haben.

Von ausländischer Seite wird betont, der sogenannte Circuit Breaker, der automatisch einsetzende Notfall-Mechanismus, verstärke die Nervosität an den Märkten, ist allerdings nicht deren Auslöser. Die China Securities Regulatory Commission (CSRC) hat angekündigt, den Mechanismus zu verbessern. Kritikpunkte sind die relativ nah aneinander liegenden Kursschwellen von 5 % und 7 % und die so genannte T+1-Handelsregel, die potenzielle Käufer vom Einstieg abhält. Die aktuelle Situation wird folglich nicht zur Normalität für A-Share-Investoren. Fazit: „Wir glauben, dass sich die Maßnahmen der chinesischen Zentralbank auf Sicht der nächsten Monate als richtig erweisen werden. Wir erwarten auch keine harte Landung und sehen die chinesische Wirtschaft vielmehr als Stabilisator der globalen Konjunktur in 2016 und 2017.“ Ich weiß, das sehen andere ganz anders.

Mir gefällt, was Ulrich Stephan, der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank, vorhin dazu geschrieben hat: „Ich glaube nicht, dass das sinkende Wachstum in China die Industriestaaten abwärts reißen wird. Denn sollte das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt 2016 rund 6 Prozent erreichen, würde sie absolut gesehen ähnlich viel zulegen wie 2007/08, bei damals zweistelligen Raten. Dieses Tempo wird nicht wiederkommen, denn das Land soll ja gerade von Industrie und Export auf Binnenmarkt und Konsum umstellen - weniger, aber qualitätsvoller wachsen. Daher scheint mir die Angst vor einem Konjunkturcrash ebenso überzogen wie die heftigen Kursabschläge weltweit, die in den USA noch vom weiteren Ölpreisverfall verschärft wurden.“ Hoffen wir, dass der gute Mann Recht behält!

Post an den Börsenfuchs: boersenfuchs@onvista.de

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