Der nächste Paukenschlag der Geldpolitik: Weg mit dem Bargeld?

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Staatsschuldenkrise hat die internationale Geldpolitik durch dirigistische Zinsdrückungen, Liquiditätsschwemmen, Übernahmen von Ausfallrisiken und Aufkäufen von Staatsanleihen - demnächst wohl auch in der Eurozone - vermeintlich gelöst. Und auch die Konjunkturprobleme versucht man durch kräftige staatliche Neuverschuldung, deren Deckel die Notenbanken nach dem Motto Zins-Freibier für alle bezahlt, in den Griff zu bekommen. Denn da die Wirtschaftspolitiker der Euro-Länder keine Lust auf Reformen zur Standortsicherung und zur wirtschaftlichen Wettbewerbssteigerung haben und insofern Unternehmensinvestitionen, Exporte und Konsum als volkswirtschaftliche Ertragsquellen nur plätschern und nicht fließen, muss Vater Staat bei der Konjunkturstützung kräftig nachhelfen.   

Geldpolitik, die früher noch Inflation bekämpfte, kämpft heute tatkräftig dafür

Hier haben wir es mit einem Zirkelbezug wie aus dem Bilderbuch zu tun: Es werden neue Staatsschulden gemacht, die für Wirtschaftswachstum sorgen sollen, das über Steuereinnahmen dann wiederum die Staatsschulden bedienen soll. Und damit die Staatshaushalte infolge dieser pervertierten Konjunkturbefruchtung nicht wie Kartenhäuser zusammenbrechen, sorgt die EZB mit ultraniedrigen Zinsen für ein entspanntes Lächeln der Euro-Finanzminister. Nicht zuletzt geht es ihr darum, das Grundübel einer Volkswirtschaft - nämlich Deflation - verhindern. Deflation macht Schuldzinsen zu einer wirklich untragbaren Belastung. Die Notenbank muss für Inflation sorgen, am besten für solche, die oberhalb der Schuldenverzinsung liegt. Dann werden die Schulden über die Preissteigerung aufgefressen.

Genau diesen Inflations- und Konjunkturwünschen stellt EZB-Chef Mario Draghi einen Blankoscheck aus. So sprach er kürzlich davon, die Inflation im Euroraum unverzüglich von derzeit 0,4 auf das Zielniveau von zwei Prozent zu bringen, um das Deflationsgespenst zu verjagen. Zudem wiederholt er öfter wie das Amen in der Kirche, dass die wirtschaftliche Situation im Euroraum schwierig bleibt. Er schafft sich selbst schlagende Argumente für den geldpolitischen Strukturbruch einer bewussten Konjunktur- und Inflationierungspolitik. Ein Wink mit dem Zaunpfahl ist dagegen hohe Diplomatie.

Für mich steht außer Frage, dass er nicht nur A sagen, sondern auch B tun wird: Seine Geldillusion wird zur Eurovision des üppigen und billigen Geldes. Diese früher noch in der Theorie als Todsünde gebrandmarkte Geldpolitik ist heutzutage praktisch längst hoffähig geworden. Ich sehe nicht, wie die Notenbank jemals aus dieser geldpolitischen Geberrolle entkommen will, ohne dem Euro-Finanzsystem den Todesstoß zu versetzen. 

Konventionelle Zinspolitik versagt genauso wie ein Antibiotikum, gegen das man immun ist

Und dennoch muss die Geldpolitik feststellen, dass die Euro-Bürger trotz beispielloser Zinsdrückung seitens der EZB weiter massive Geldberge bei den Banken horten und Unternehmen eine investitionsschädliche Liquiditätshaltung betreiben. Wichtige nachhaltige Wachstumskeime vertrocknen regelrecht. 

In unserem Papiergeldsystem muss sich die EZB wie jede andere Notenbank leider damit abfinden, dass sie die Zinsen nicht noch weiter senken kann. Bei null ist Schluss. Schon heute haben die Banken größte Schwierigkeiten, ihren Zinssparern irgendeinen Zins zu bieten. Und einige Banken verlangen mittlerweile schon negative Zinsen, eine Parkgebühren, zumindest für große und gewerbliche Anlagebeträge. Wie sollen denn Banken auch Zinsen auf Sparguthaben auszahlen, wenn sie selbst bei der EZB eine Parkgebühr zahlen müssen? Würde die EZB ihre Leitzinsen unter null setzen, käme es früher oder später flächendeckend zu negativen Sparzinsen. Und dann ging die Büchse der Pandora ganz weit auf: Die Sparer würden ihre Ersparnisse als Bargeld im Keller oder unter der Matratze halten, da sie dort keinen Zinsnachteil zu befürchten hätten bzw. in den Genuss eines Zinsvorteil gegenüber einer Spareinlage bei der Bank kämen. Der Ansturm auf die Banken, die Schlacht um das wenige Bargeld, das etwa nur noch fünf Prozent der gesamten Geldmenge des Euro-Währungsraums ausmacht, würde zur Insolvenz des Bankensystems führen.

Sind damit negative Zinsen ausgeschlossen in unserer real existierenden Finanzwelt ausgeschlossen? 

Der Charme von flächendeckend negativen Zinsen

Nicht so schnell! Tatsche ist, dass die EZB und ebenso die japanische Notenbank ihre Leitzinsen aufgrund der bislang konjunkturell nicht erfolgreichen Zinssenkungspolitik noch deutlicher, auch unter null senken müssten. Man muss den Sparern die Lust am Sparen einfach vermiesen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise hatte die US-Notenbank tatsächlich überlegt, Negativzinsen von vier oder fünf Prozent einzuführen, damit die Menschen ihr Geld ausgeben, um die Konjunktur anzukurbeln. So könnten allein in Deutschland eine Billion Euro Sparguthaben sofort in den Konsum gelangen. Was man da für eine ökonomische Wohlfühlwelle lostreten könnte. Und selbst wenn die Bürger konsumunwillig blieben, würden sie vermutlich in Staatspapiere umschichten, solange diese weniger negative Zinsen auszahlen würden. Dann gibt eben der Staat Geld anstelle der Bürger zur Konjunkturstützung aus. Das wird er gerne tun, denn er zahlt ja weniger zurück als er ausgegeben hat. Halleluja!

Was nicht passt, wird passend gemacht

Man sieht, Papiergeld ist das entscheidende Hindernis, die Zinsen der Zentralbanken weiter kräftig auch unter die Nullmarke zu senken. Also muss der nächste Strukturbruch der Notenbanken her: Das Bargeld muss weg, abgeschafft werden. Dann lassen sich Negativzinsen ohne die Gefahr eines Bank Run durchsetzen.  

Liebe Anlegerinnen und Anleger, denken sie doch bitte auch an die vielen Zusatznutzen. Steuerflucht, Drogenkriminalität und generell Schwarzarbeit würden dramatisch eingedämmt. Man würde also viele Fliegen mit einer Klappe schlagen, oder? Na, wenn das kein Mega-Alibi für Bargeldlosigkeit ist.

Sie halten das für utopisch? Hätten Sie vor 2008 gedacht, dass unsere Finanzwelt schulden- geld- oder stabilitätspolitisch dort steht, wo sie steht? In der (Geld-)Politik ist es doch immer dasselbe: Zunächst sind die Dinge utopisch, unglaublich, unmöglich und am Ende alternativlos, logisch, sinnvoll.

Bargeldlosigkeit droht uns nicht morgen oder übermorgen. Da die geldpolitische Rettung aber weiter gehen wird, weil sie weiter gehen muss, würde ich überübermorgen nicht ausschließen.

Ich habe von Zinspapieren schon lange die Nase voll. So erspare ich mir auch die zukünftigen geldpolitischen Darbietungen bezüglich dieser entzückenden Anlageklasse. Die Notenbanken werden noch so manchen Streich für uns bereithalten. Zum Glück gibt es ja Ersatzbefriedigungen. Ohnehin habe ich den ausgestorbenen Zinseszinseffekt bei Zinsvermögen längst durch den quicklebendigen Dividendendividendeneffekt bei Aktien ersetzt.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:
http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128 Hinzufügen Hinzufügen

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