Die Sehnsucht der apokalyptischen Reiter nach einem Aktiencrash

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

So sehr sich das der ein oder andere apokalyptische Reiter auch wünschen mag, ich glaube nicht, dass Zwischenkorrekturen die Ouvertüre zu einem dicken Aktiencrash wie in der Vergangenheit sind.

Auch auf die Gefahr hin, fünf Euro ins Phrasenschwein werfen zu müssen: Aktienkurse sind keine Einbahnstraßen. Nicht nach unten, aber eben auch nicht nach oben. Eigentlich hätte man in den letzten Wochen einen anderen Eindruck gewinnen können. Denn seit seinem Tief im Oktober 2014 bis März 2015 war der DAX auf Autopilot gestellt. In einer kaum unterbrochenen Aufwärtsbewegung hat er seitdem um knapp 40 Prozent zugelegt. Dynamischer war seine Entwicklung nur einmal. Von Oktober 1999 bis März 2000 - interessanterweise also im gleichen Jahreszeitraum - waren es sogar über 50 Prozent Kurszuwachs.

Solche Gipfelstürmereien schreien geradezu nach einer Schubumkehr, oder?  Was könnten die Auslöser sein? China? Ja, das Wachstum im Reich der Mitte kommt nicht mehr mit Schmackes daher. Und jetzt, Schluss mit der asiatischen Sorgenpause für die deutsche Industrie? Ohne Frage, China ist ein bedeutender Abnehmer deutscher Produkte. Aber offensichtlich nicht der einzige. Denn Deutschland hat 2014 fast den höchsten Exportanteil an der Wirtschaftsleistung erzielt. Das geht nicht nur im Handel mit China. Deutsche Produkte sind sozusagen everybodys darling.

 

Sicherlich hat der zuletzt wieder etwas aufwertende Euro den typischen Anlegerreflex Starker Euro gleich schwache Exportaktien bedient. Aber wenn gilt Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer , dann gilt auch Eine Schwalbe weniger macht noch keinen Winter: Gewichtet gegenüber den bedeutendsten Handelswährungen hat der Euro seit 2009 so dramatisch abgewertet, dass eine begrenzte Gegenbewegung das längerfristige Szenario eines im Trend weiter abwertenden Euro zur Freude der Exportindustrie nicht ändert. Denn der Anleiheaufkauf der EZB geht noch lange weiter und vermutlich in die Verlängerung. Und das Beispiel Japan zeigt, dass viel Liquidität eine Währung schwächt.

 

So mögen China und ein vorübergehend wiedererstarkender Euro für Konsolidierungspotenzial sorgen. Und auch das politische Gezerre um Griechenland im Spannungsfeld zwischen Andrea Bergs Du hast mich tausendmal belogen und Nicoles Ein bisschen Frieden kann Rücksetzer auslösen. Doch davor ist mir nicht bange. Ich hätte größere Probleme, wenn der DAX tatsächlich nur einbahnstraßenartig nach oben ginge. Zwischenzeitliche Konsolidierungen sind heilsam, sie beruhigen die Nerven der Anleger angesichts des Höhenrauschs der Aktienmärkte.

Das kann doch einen Aktienmarkt nicht erschüttern

So sehr sich das der ein oder andere apokalyptische Reiter auch wünschen mag, ich glaube nicht, dass Zwischenkorrekturen die Ouvertüre zu einem dicken Aktiencrash wie in der Vergangenheit sind. Dazu müsste es - frei wie im Märchen Tischlein deck dich - heißen: Zins-Knüppel aus dem Sack. So wurden früher Aktienhaussen zertrümmert. Als die US-Notenbank so richtig den Zinshobel ansetzte, hatten die Dotcom- und Immobilienblase keine Überlebenschance. Insbesondere der Zinserhöhungsrausch von Ben Bernanke, der die US-Leitzinsen von 2004 von einem bis 2006 auf 5,25 Prozent erhöhte, ließ die Aktien mit Zeitverzug dramatisch einbrechen. Und was zum Schluss mit der Weltwirtschaft passierte, haben wir alle noch in bester Erinnerung: Pleiten, Pech und Pannen. Dieses Horrorszenario würde sich nur wiederholen, wenn die aktuelle Fed Chefin Janet Yellen eine zutiefst destruktive, sadistische Ader hätte. Hat sie aber nicht, sie hat Mutti-Qualitäten. Sollte sie in diesem Jahr die Leitzinsen auf 0,75 Prozent anheben - was aus meiner Sicht das Maximum wäre - gibt es keinen Grund, warum sich die finstere Aktienfinanzgeschichte wiederholen sollte.


 

Und wenn Frau Yellen bereits als Mutti bezeichnet wird, dann stellt die EZB Mutter Theresa dar. Bereits das verbale Euro-Rettungsversprechen Mario Draghis vom 26. Juli 2012, notfalls unbegrenzt Staatspapiere aufzukaufen, hat den Euro-Aktienmärkten die Liquiditätshausse beschert. Und die mittlerweile tatsächlich stattfindende Druckbetankung stellt so etwas wie die Lebensversicherung für die Aktienmärkte dar.

  

Euro-Konjunktur mit Frühlingsgefühlen

Alles heiße Luft mag der ein oder andere jetzt einwenden. Ja mit normaler Geldpolitik hat es nichts mehr zu tun. Aber die Anleger müssen sich pragmatisch auf die unnormale, neue Euro-Finanzwelt einstellen. Innovativ ist es auch, dass es der EZB nach Abwendung der Euro-Staatsschuldenkrise um die dynamische Beilegung der Euro-Konjunkturkrise geht. Viel und billiges Geld sowie ein Draghi-sch gedrückter Euro sollen die eurozonale Wirtschaft düngen und auf die Deflation wie Unkrautvernichtungsmittel wirken. Und siehe da, neben günstigen Energierohstoffen hat sich die konjunkturelle Stimmung in Deutschland aber auch in der Eurozone insgesamt schon merklich gehoben. Im weiteren Jahresverlauf ist mit weiteren positiven Überraschungen zu rechnen.

 

Und schließlich, sollten sich - wovon auszugehen ist - die ifo Geschäftserwartungen im Trend weiter stabilisieren, dann klappt es auch immer besser mit dem Gewinnwachstums.

Das nenne ich die Kraft der zwei Herzen: Die Liquiditäts- und Konjunktur-Hausse im Doppelpack.

Zum Jahresende wird der DAX höher stehen als zurzeit.

Sollen die apokalyptischen Reiter doch weiter nach dem schwarzen Schwan suchen.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG:

http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128 Hinzufügen

Meistgelesene Artikel