Es gibt mehr als nur Depri-Renditen

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Die Amis werden ihre Leitzinsen bald (noch im Dezember) wieder ein bisschen anheben. Etwa 90 Prozent der Wall-Street-Akteure sind jedenfalls davon überzeugt. Die sehen sich schon fast bestätigt, denn in ihrer ersten öffentlichen Rede seit dem Trump-Triumph hat Fed-Chefin Janet Yellen am Donnerstag gesagt, dass eine Anhebung „relativ bald” angebracht sein könne. Selbst bei uns geht’s vielleicht im Frühjahr 2017 leitzinstechnisch wieder aufwärts - aber wenn, dann gaaanz leicht. Die Europäische Zentralbank will zu hohe Erwartungen an ihre Geldpolitik verhindern. Man sei sich einig gewesen, dass man keine „übertriebenen Erwartungen an den Finanzmärkten zur künftigen Geldpolitik” schüren dürfe, heißt es im gestern veröffentlichten Protokoll zur Zinssitzung im Oktober.

Die Zinsüberlegungen haben die Bondmärkte in jüngster Zeit schon ganz schön bluten lassen - massig Verkäufe, Kurse runter = Renditen rauf. Aber das war wohl noch nicht alles, befürchten Börsianer zurecht. Bei heftigen Bond-Turbulenzen könnten auch die Aktienkurse eins auf den Deckel kriegen. Zumindest vorübergehend. Denn die Jungs wissen ja aus der Vergangenheit, dass ein voll schwacher Rentenmarkt auch auf Aktien ausstrahlen kann. Vor allem, wenn ab jetzt die Inflation schneller steigt als die Zinsen. Da bleibt dem Anleger gar nix mehr übrig.

Aber viel schlimmer als jetzt wäre das auch nicht. Und solche Aussichten werden die Hinwendung der Anleger zu Sachwerten letztlich noch weiter verstärken (Immobilien, Aktien, Gold). Nur eins darf 2017 nicht passieren: Inflation und Zinsen steigen, Konjunktur knickt aber richtig ein. Bleibt erst mal cool, meine Freunde, danach sieht’s ja momentan nicht aus.

Ein bisschen geärgert hat mich eine gestern vom Bankenverband veröffentlichte Übersicht mit dem Titel „Aktueller Renditevergleich deprimiert.“ Im Text zu einem Schaubild heißt es: Passend zur Jahreszeit ist auch der Blick auf die Renditen für Anleger zurzeit deprimierend. Für Spareinlagen gibt es meistens nur noch eine Verzinsung im Promillebereich. Und die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen lag im Sommer 2016 sogar zeitweise im Minus. Aktuell beträgt sie nur wenig über Null (0,2 Prozent) . Selbst mit 30-jährigen Bundesanleihen ist derzeit nur eine jährliche Rendite von weniger als 1 Prozent möglich (0,8 Prozent). Wer will sich aber schon 30 Jahre lang mit einer Verzinsung von unter 1 Prozent zufrieden geben? Unternehmensanleihen werfen immerhin 1,9 Prozent ab.

Eine Chance auf höhere Renditen gibt es nur, wenn Anleger bereit sind, ein gewisses Risiko einzugehen. Mit großen deutschen Standardaktien (Dax-Werte) beispielsweise können Dividenden von im Schnitt etwa 3,0 Prozent jährlich eingefahren werden, in Einzelfällen auch mehr. Doch Aktiensparer müssen Kursschwankungen aushalten können und sollten einen langen Atem haben. Zudem ist bei Aktien eine breite Risikostreuung notwendig. Für die Auswahl der passenden Aktien sollten Anleger sich vorher gut informieren und bei Bedarf beraten lassen.

Soweit die Verbandsmenschen. Sie haben ja Recht. Aber das ist zu dünn, das weiß doch fast jeder. Und dann nur die Aktienrendite zu nehmen ohne auf die langfristigen Kurs-Chancen einzugehen, greift zu kurz (so würde es ein Politiker formulieren). Klar, Schwankungen aushalten und langer Atem dürfen nicht fehlen. Und zum Schluss sogar total abgedroschene Worthülsen „gut informieren“ und „beraten lassen“. Nee, das war nix, geschätzte Verbandsmenschen. Ich wünschte mir mehr und intensiveres Engagement für die Förderung der stark unterentwickelten Aktienkultur bei uns!

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