Im Mai verkaufen?

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo Leute! Ich kann’s zwar nicht mehr hören, aber es ist halt wieder mal soweit - mit dem Beginn des Wonnemonats könnt Ihr überall den alten Börsenspruch vom Im-Mai-Verkaufen hören und lesen. Langweilig. Und er verunsichert viele Anleger zusätzlich. Die Frankfurter DZ Bank, Zentralinstitut der Kreditgenossenschaften, hat sich die verdienstvolle Aufgabe gestellt, das “Sell in May and go away” einmal unter der Lupe zu nehmen.

Interessant finde ich vor allem die weniger bekannte Entstehungsgeschichte, wonach früher die Börsianer in New York im Sommer wegen der Hitze die Stadt verließen, um auf ihren Landsitzen am Meer die Freizeit zu genießen. Damit fielen auch viele Privatanleger, die ursprünglich den Börsenhandel dominierten, für den Aktienmarkt aus. Ergebnis: nix los.

Längst gibt es amerikanische und europäische Statistik-Freaks, die zur Beweisfindung mit den Zahlen jonglierten. Bleiben wir dabei im Lande: Tatsächlich übertraf die Dax-Kursentwicklung zurückgerechnet seit 1960 im Zeitraum Oktober bis April mit plus 1,1% pro Monat die von Mai bis September mit plus +0,1% beträchtlich. Also ist das Aussteigen sinnvoll? Nee, nicht wirklich. Zwar ist ist das Winterhalbjahr statistisch an den Börsen zweifellos besser als die sommerlichen Monate. Von einer ausgeprägten Korrektur in der warmen Jahreszeit kann jedoch keine Rede sein. Der Juli liefert historisch gesehen sogar eine der stärksten Entwicklungen im Jahresverlauf.

So richtig abwärts ging es nur 2002 (Rezessionsangst USA), 2011 (Sorgen vor Streit um Obergrenze der US-Schulden) und 2015 (Korrektur nach Draghi-Euphorie-Höhepunkt). Überdurchschnittlich gute Sommermonate gab es selten, wie die Untersuchung weiter belegt. Meist nach Rezessionen (z.B. in den Jahren 2003 und 2009).

Ob man die Börsenweisheit nun ernst nimmt oder abwinkt - das hängt vor allem von den eigenen Erfahrungen ab. Ich kenne genug Privatleute, die schwören darauf, weil sie im Mai schon mal ausgestiegen waren und damit (angebliche dicke) Verluste vermeiden konnten. Mir haben aber andere Anleger voll die gegenteiligen Erlebnisse erzählt. Was empfehlen die Genossen-Banker? Auf Basis ihrer aktuellen Vorhersagen heißt es: „Die beliebte Börsenweisheit könnte sich auch im aktuellen Börsenjahr erneut bewahrheiten.“ Aber an anderer Stelle lautet das Fazit: „Wir vertreten die Meinung, dass die „Sell in May…“-Regel nicht viel mehr als eine nette Anekdote und nicht dazu geeignet ist, langfristig am Aktienmarkt Erfolg zu haben.“ Aha. Und was jetzt?

Ich selbst halte nicht viel von derartigen Saisonalitäten. Das Schlimmste ist wohl die Wirkung des Herdentriebs, wenn viele starke Marktteilnehmer dauernd über das Sell-in-May reden und sich gegenseitig anstecken und dann das Flattern kriegen. Die Aktienmärkte bieten gerade jetzt viel Potenzial auf beiden Seiten - also Chancen und Risiken. Deshalb erwähne ich auch hier wieder mein Faible für fernöstliche Philosophien, speziell für den Sowohl-als-auch-Denkansatz (und nicht das Entweder-Oder). So erscheint es mir sinnvoll, an den Börsen engagiert zu bleiben, ohne aber die Töpfe (Depots) bis zum Deckel zu füllen. Man sollte dabei sein, doch beweglich bleiben und die individuellen Risiken immer im Griff behalten. Zunächst einmal wünsche ich uns aber einen sonnigen Mai-Feiertag!

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