MHR - Rettungstrio für Europa oder Trio Infernale?

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Also herrlich in Szene setzen kann sich das Polit-Europa unbedingt. Das Trio MHR (Merkel, Hollande, Renzi) traf sich auf der italienischen Sonneninsel Ventotene, um nach Brexit und angesichts von Flüchtlingskrise und Terrorgefahr, aber auch Konjunktur- und Bankenkrise mit Schmackes einen Neustart der EU zu propagieren. Europa ist ein Ideal sagte der französische Präsident. Auch ein Abitur mit 1 oder eine olympische Goldmedaille sind Ideale. Doch leider muss man etwas dafür tun. Und leider hat Europa in der Vergangenheit so wenig dafür getan, dass ein großes Land austreten will und sich in fast jedem EU-Land vor lauter Freude Euro-kritische Bewegungen formiert haben. Umso mehr zeigen die großen drei Musketiere aktuell demonstrativ den festen Willen, Zukunftsgeschichte für die EU zu schreiben. Und wieso ausgerechnet jetzt? 

Die Probleme in der EU sind doch schon lange bekannt wie ein bunter Hund. Liegt es vielleicht daran, dass Renzi im Oktober ein Verfassungsreferendum vor sich hat, das bei Ablehnung sein politisches Ende bedeutet? Liegt es daran, dass die deutsche Regierungschefin aus dem Umfragetief herauskommen will, um im nächsten Jahr noch einmal Kanzlerin zu werden? Und liegt es daran, dass Frankreich 2017 ein neues Staatsoberhaupt wählt und Herrn Hollande Madame Le Pen und der Neo-Napoleon Sarkozy im Nacken sitzen? Honi soit qui mal y pense, sagt der Franzose.

Wie kann MHR den europäischen Corpsgeist wieder beflügeln?

Zunächst will man das wichtige Grundbedürfnis der EU-Bürger nach Sicherheit, aber auch das Vertrauen in die außenpolitische Handlungsfähigkeit befriedigen. Denn nach diversen Terroranschlägen ist hier das Vertrauen massiv in Zweifel geraten. Hier muss man allerdings einen Quantensprung wagen. Terrorabwehr darf nicht mehr nur national, sondern muss endlich grenzüberschreitend durchgeführt werden. Und wie will Europa die Lösung der Flüchtlingskrise schaffen?

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu wissen, dass eine faire EU-weite Verteilung von Migranten politisch nicht umsetzbar ist. Umso wichtiger wird der eigene und gemeinschaftliche Schutz der EU-Außengrenzen ohne sich auf externe und fragwürdige Partner verlassen zu müssen. Und was heißt überhaupt die Bekämpfung von Fluchtursachen konkret? Politik heißt nicht, immer wieder wie beim Amen in der Kirche die gleichen Absichten zu bekunden, aber vor Handlungen zurückzuschrecken. Noch hat Europa diesen gordischen Knoten nicht gelöst oder durchschlagen.

Sozialismus ist keine Lösung für die Rest-EU

Das andere Thema, das den EU-Bürgern unter den Nägeln brennt, sind die wirtschaftlichen Perspektiven. In Europa muss man nicht nur auf Griechenland schauen, um auf massive Konjunkturprobleme zu stoßen. Auch in La Grande Nation und Bella Italia wird man schnell fündig. Italien könnte sogar zu einem economic failed state werden. Und einen Vorgeschmack auf die politischen Konsequenzen konnte man zuletzt in der italienischen Hauptstadt Rom betrachten, die mittlerweile von der Europa-feindlichen Fünf-Sterne-Bewegung regiert wird. In ganz Europa etabliert sich offensichtlich die Meinung, Europa sei an allem schuld. Zum großen Teil sind dafür die Politiker verantwortlich, die wirtschaftspolitisch nicht ihre Hausaufgaben erledigen. Aus Angst vor dem Wählervotum meiden sie Reformen, die zunächst sicher wehtun, bevor sie heilsam wirken. Aber ohne Fleiß kein Preis: Ein Land ist erst dann wirtschaftlich gesund, wenn Firmen dort aufgrund guter Rahmenbedingungen freiwillig investieren. Dann kommen übrigens auch die Jobs.

Wenn diese vorausschauende Wirtschafts- und Finanzpolitik ausbleibt, muss der Staat helfen. Und diese Hilfe heißt Schulden machen. Eigentlich müsste die Happy Hour der Staatsverschuldung längst Wirtschaftsgeschichte sein. Denn die klare Lehre aus den Verschuldungsorgien der 70er-Jahre ist, dass der Staat abseits von Strohfeuern keinen vernünftigen Aufschwung einleiten kann, wenn als Gegenstück positive privatwirtschaftliche Rahmenbedingungen fehlen. Und dennoch soll auch heute wieder dieses falsche Instrument einer alleinigen Staatswirtschaft etwas erreichen, was es gar nicht erreichen kann. Doch man tut es, um den Wählern kurzfristig Wundpflaster auf ihre sozialpolitischen Wunden zu kleben, damit sie vorerst nicht von der europäischen Fahne gehen. Man könnte einwenden, dass der Europäische Stabilitätspakt ohnehin eine zu hohe Staatsverschuldung verbietet. Aber Gummiparagraphen sind eben dehnbar und am dehnbarsten in Europa. 

Ich habe genau auf die Worte unserer Kanzlerin gehört, die auf Ventotene sagte, der Stabilitätspakt müsste flexibel angewendet werden. Konkret heißt das, wenn es dem Europäischen Zusammenhalt hilft, heiligt der Zweck die Mittel. Spätestens jetzt wird klar, wie schmerzhaft der Abschied der Briten aus der EU wäre. Auf der italienischen Sommerinsel habe ich den britischen Vertreter sehr vermisst. Aus dem Trio hätte man ein Quartett machen müssen, damit Waffengleichheit zwischen staatsgläubigen Schuldenanhängern (Frankreich, Italien) und reformbejahenden Marktwirtschaftlern (Großbritannien, Deutschland) herrscht. Doch leider steht es bei der zukünftigen europäischen Wirtschaftsausrichtung 2:1 gegen Deutschland. Die angeblich mächtigste Frau der Welt sieht hier ziemlich ohnmächtig aus. Und damit hat die EZB ihre ewige Rolle gefunden. Sie muss den Schuldendeckel in der Eurozone immer und immer wieder bezahlen.

Was heißt das für die Finanzmärkte?

So bleibt die Liquiditätshausse als Brot und Butter-Geschäft an den Finanzmärkten erhalten. Die Geldpolitik beherrscht die Aktienmärkte indirekt, da es für Zinspapiere keine Zinsen mehr gibt und auch zukünftig nicht mehr geben kann, ohne eine schwere Euro-Schuldenkrise auszulösen. Der weltweit riesige Anlagebedarf kommt an Aktien ebenso wenig vorbei wie die Karawane an Sand in der Wüste. Offensichtlich spielen die früher noch wichtigen Fundamentalargumente Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne heute keine bedeutende Rolle mehr. Die Geldpolitik ist ein Killerargument. Ähnlich wie beim Lied Major Tom von Peter Schilling könnte man fast sagen, Aktien sind fundamental völlig losgelöst von der Erde . Ja, steigende Aktienkurse und sogar neue Aktien-Allzeithochs in Europa sind gut möglich.

Nur mit heißer Luft - ohne fundamentale Substanz - verliert jedoch auch der Aktienmarkt seine Statik. Das passiert zwar nicht heute oder morgen, aber übermorgen. Ja, das waren schöne Bilder von MHR in Italien. Leider sieht ein Aufbruch zu neuen EU-Ufern anders aus. Immerhin, als Vorstände eines europäischen Industriemuseums haben sich die Drei wärmstens empfohlen. 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128 Hinzufügen Hinzufügen

Meistgelesene Artikel