Rasche Zinswende in Großbritannien nicht in Sicht

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Die britische Notenbank gibt nach wie vor keine klaren Hinweise, wann die Zinsen steigen könnten. Neue Daten vom britischen Arbeitsmarkt lassen die Wahrscheinlichkeit einer raschen Zinswende jedoch eher sinken.

Wegen des starken Wachstums der britischen Wirtschaft wird von der Bank of England erwartet, dass sie als erste große Notenbank eine Zinsanhebung nach der Finanz- und Wirtschaftskrise wagt. Wann es so weit sein wird, bleibt aber weiter unklar. Weder dem neuen Inflationsbericht der Zentralbank noch Äußerungen von Notenbankchef Mark Carney konnten Beobachter eindeutige Fingerzeige entnehmen.

Für eine rasche Zinsanhebung spricht, dass die Bank of England den Zustand der heimischen Wirtschaft zunehmend optimistischer bewertet. Wie aus dem neuen Inflationsbericht hervorgeht, sieht sie weniger Leerlauf als noch vor drei Monaten. Im Mittel gehen die Zentralbanker davon aus, dass ein Prozent der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten nicht ausgelastet sind.

Am Arbeitsmarkt sieht die Notenbank dagegen noch viel Spielraum für Verbesserungen. Sie senkte das Niveau der Arbeitslosenquote, bis zu der kein Inflationsschub droht, von 6,25 auf 5,5 Prozent. Der britische Arbeitsmarkt selbst sendet nach wie vor widersprüchliche Signale. Während die Arbeitslosigkeit weiter zurückgeht, beginnen zugleich die Löhne zu fallen.

Weniger Arbeitslose - weniger Lohn

Nach aktuellen Zahlen lagen die wöchentlichen Durchschnittslöhne in den drei Monaten bis Juni 0,2 Prozent tiefer als ein Jahr zuvor. Es ist das erste Mal seit der schweren Rezession nach der Finanzkrise, dass das Lohnniveau fällt. Ohne Bonuszahlungen fiel der Lohnzuwachs auf ein Rekordtief von 0,6 Prozent. Unter Berücksichtigung der Inflation von knapp zwei Prozent erleiden Arbeitnehmer daher Reallohnverluste.

Die enttäuschende Lohnentwicklung ist der Zentralbank ein Dorn im Auge. Sie vermutet, dass dies – zusammen mit dem ungewöhnlich hohen Anteil Selbständiger – ein Indiz für eine hohe verdeckte Arbeitslosigkeit sein könnte.

Die offizielle Arbeitslosenquote fiel in den drei Monaten bis Juni um weitere 0,1 Punkte auf 6,4 Prozent. Das ist der tiefste Stand seit Ende 2008. Im selben Zeitraum kamen 167.000 neue Arbeitsplätze hinzu. Erwartet wurden jedoch 270.000 neue Stellen. Mit 6,4 Prozent liegt die Quote zugleich deutlich über der inflationsneutralen Arbeitslosenquote von nun 5,5 Prozent. Die Geldpolitik könnte also weiter locker bleiben, ohne dass aus Sicht der Zentralbank Inflationsgefahr droht.

Vor diesem Hintergrund sehen viele Analysten kaum Indizien für eine rasche Zinswende. Die Entwicklung an den Finanzmärkten scheint diese Einschätzung zu stützen: Das britische Pfund geriet nach den Daten stark unter Druck und fiel zum US-Dollar auf den tiefsten Stand seit Anfang Juni. Auch die Renditen britischer Staatsanleihen gaben nach.


OnVista/dpa-AFX
Foto: Bucchi Francesco/shutterstock.com

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