Schroders-Vertriebsleiter im Interview: "Multi-Asset-Mandate verwalten wir schon seit 1947"

DAS INVESTMENT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In einer großen Interview-Reihe befragt DAS INVESTMENT die Vertriebsleiter der großen Fondsgesellschaften zu den wichtigsten Trends der Branche. Hier spricht Joachim Nareike, Leiter Publikumsfondsvertrieb bei Schroders, über Marktentwicklungen und die Produkttrends seines Hauses.

Im ersten Halbjahr gab es einige Ereignisse, die Sie als Vertriebschef nicht gefreut haben dürften: Die Gewinne des Börsenjahres 2015 waren nach nur elf Handelstagen dahin. Syrien, Flüchtlingskrise und weitere geopolitischen Brandherde. Vor kurzem dann das Brexit-Referendum. Aktuell sind die Banken - vor allem die italienischen - in den Schlagzeilen. Wie ist Ihr Fazit aus Vertriebssicht für das erste Halbjahr 2016?

Das erste Halbjahr ist an den Kapitalmärkten sehr turbulent verlaufen. Sorgen um die rückläufige Globalkonjunktur haben zum Jahresauftakt die globalen Aktienmärkte auf Talfahrt geschickt und für erhebliche Volatilität gesorgt. Allein der Dax fiel im Januar um rund 9 Prozent. Nach einer zwischenzeitlichen Erholung hat der Brexit im Juni die Aktienmärkte erneut nach unten gedrückt.

Wir sind jedoch zufrieden damit, wie sich unsere Fonds in dieser Zeit entwickelt haben. Denn dies beweist: In schwierigen Marktphasen ist aktives Portfoliomanagement und konsequentes Risikomanagement wichtiger denn je. Durch unsere breite Produktpalette war es uns möglich, in verschiedenen Strategien positive Renditen zu erzielen und zugleich Marktschwankungen und Kursrückschläge zu reduzieren. Gerade die Long/Short-Produkte verliefen asymmetrisch zum Markt und lieferten die gewünschten Ergebnisse.

Was wünschen Sie sich für das zweite Halbjahr und welche realistischen Erwartungen haben Sie?

In Anbetracht der gemischten makroökonomischen Nachrichtenlage spricht einiges dafür, dass die Volatilität auch im zweiten Halbjahr ein ständiger Begleiter sein wird und weitere Kursrückgänge auf der Agenda stehen. Darauf sollte man sich als aktiver Asset Manager einstellen. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass die globale Konjunktur in eine erneute Rezession abdriften wird.

Vielmehr erwarten wir, dass das weltweite Wirtschaftswachstum weiterhin moderat zulegen und die Inflation mit der Zeit ansteigen wird. Grundsätzlich eröffnen Schwankungen auch immer Potenzial, um Fehlbewertungen im Markt zu nutzen.

Der Niedrigzins ist das alles dominierende Thema in der Finanzbranche. Ein paar vereinfachte direkte Folgen daraus: Rentenfonds werden zunehmend unattraktiv. Das Sparbuch ist bzw. sollte keine Alternative mehr sein. Die Deutschen stürzen sich auf Immobilien. Gold wird wiederentdeckt. Multi-Asset-Fonds sind in aller Munde. Aktienfonds schlagen sich mittelmäßig, volatile Börsen und Regulatorik verhindern größere Mittelzuflüsse. Stimmen Sie zu? Möchten Sie etwas ergänzen?

Das ist mir etwas zu plakativ. Es ist richtig, dass es im Niedrigzinsumfeld immer herausfordernder wird, mit Anleihen nachhaltige Renditen zu erzielen. Das heißt allerdings nicht, dass Rentenfonds per se unattraktiv werden. So ergeben sich bei Schwellenländeranleihen sowie Unternehmensanleihen noch attraktive Chancen. Auch Staatsanleihen haben in diesem Jahr wieder gezeigt, dass sie wichtige Diversifikation im Portfolio liefern können. Auch viele Aktienfondsmanager haben einen guten Job gemacht. Es ist allerdings richtig, dass die angestiegene Volatilität zu viel Verunsicherung bei den Anlegern geführt hat.

Grundsätzlich geht es darum, sich flexibel an die veränderten Marktgegebenheiten anzupassen und nicht dogmatisch an alten Prinzipien festzuhalten. Das Umfeld wird weiterhin herausfordernd bleiben, und eine robuste Portfoliokonstruktion ist essenziell.

"Wir verwalten Multi-Asset-Mandate seit 1947" >>

Würden Sie Ihr Haus als Nettoprofiteur der Niedrigzins-Phase betrachten?

Das Niedrigzinsumfeld erhöht generell den Druck auf Investoren, sich auf der Suche nach Rendite nach Alternativen zur traditionellen Anlage in Staatsanleihen umzusehen. Deswegen ist es wichtig, dem Anleger je nach Bedürfnislage Optionen zu bieten. Multi-Asset-Fonds sind dabei mit Sicherheit eine interessante Möglichkeit, sowie Dividenden- und Ausschüttungsstrategien. Wir sehen uns in dem aktuellen Umfeld gut aufgestellt.

Quo vadis Aktienfonds: Der oft unter dem Titel "Große Rotation" vorhergesagte starke Shift von Anleihen in Aktien ist bisher ausgeblieben. Warum ist das so?

Eine wesentliche Rolle dabei spielen mit Sicherheit die Interventionen der globalen Zentralbanken und das doch eher zerbrechliche globale Wirtschaftswachstum. Die historisch niedrigen Renditen auf der Rentenseite und die hohe Volatilität bei Aktien verunsichern viele Anleger. Als Folge dieser Faktoren werden Investitionsentscheidungen in die Zukunft verschoben. Viele Anleger trauern auch noch den historischen Renditeniveaus hinterher. Da das Marktumfeld heutzutage allerdings ein gänzlich anderes ist, ist hier Umdenken angesagt.

Ist der Sturm auf Aktien nur verschoben?

Aktieninvestments sollten immer vor dem Hintergrund des eigenen Anlagehorizonts betrachtet werden. Ist ein Anleger in der Lage, Schwankungen auszusitzen, sind Aktien strategisch durchaus sinnvoll. Auch von der Einkommensperspektive bieten sie im Vergleich zu Renten attraktives Ausschüttungspotenzial. Von daher rechnen wir perspektivisch schon mit einem zunehmenden Interesse an Aktienfonds. Vermögensverwalter und Dachfondsmanager haben zuletzt wiederholt die Schwäche des Marktes genutzt, um ihre Aktienpositionen aufzustocken. So sehen wir auch wieder steigende Mittelzuflüsse in unseren Schwellenländeraktienfonds.

Nicht einmal 15 Prozent der Deutschen im Alter von über 14 Jahren besitzen Aktien oder Aktienfonds. Worauf führen Sie das zurück? Und wie müssen die Vertriebsansätze der Fondsbranche angepasst werden, um diesen Zustand zu ändern?

Deutsche tendieren generell weniger zu Aktieninvestments und bevorzugen eher Anleihen. Diese Neigung ist tief im Anlageverhalten der Deutschen verwurzelt. Hier unterscheiden sich hiesige Anleger deutlich von US-amerikanischen oder britischen Investoren. Meiner Meinung nach müsste die Fondsbranche noch mehr Aufklärungsarbeit leisten, um deutschen Anlegern ein besseres Gefühl dafür zu vermitteln, welche Chancen und Risiken mit Aktien und Renten einhergehen.

Multi-Asset-Lösungen sind mehr als ein Trend und in den vergangenen Jahren zu einer etablierten Fonds-Klasse herangereift. Wie haben Sie sich in diesem Bereich positioniert?

Multi-Asset ist eine Kernkompetenz bei uns im Haus. Bereits seit 1947 verwalten wir Multi-Asset-Mandate. Mittlerweile ist das verwaltete Vermögen im Multi-Asset-Segment auf über 100 Milliarden Euro angewachsen, und das Team besteht aus über 100 Investment-Experten. Wir haben uns als Ziel gesetzt, unsere Strategien gemäß den Bedürfnissen unserer Kunden zu strukturieren. So unterscheiden wir zwischen Strategien, die auf Kapitalerhalt, Kapitalwachstum oder auch Einkommensgenerierung ausgerichtet sind. Inflationsschutz spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

"Liquid Alternatives sind kein Ersatz, sonder Ergänzung zu Multi-Asset-Fonds" >>

Wo legen Sie klare Schwerpunkte und warum?

Wir beobachten, dass im aktuellen Niedrigzinsumfeld der Wunsch der Kunden nach Lösungsansätzen, die regelmäßiges Einkommen im Rahmen einer moderaten Schwankung erzielen, deutlich zunimmt. Wir sind hier mit unserem Fonds Schroder ISF (Schroder International Selection Fund) Global Multi-Asset Income gut positioniert, der weltweit in ausschüttungsstarke Wertpapiere investiert. Die Kombination aus flexiblem Management auf globaler Basis und dem Fokus auf kontinuierliche Ertragsgenerierung bietet aus Kundensicht einen klaren Vorteil. Auch die Kontinuität von festen Ausschüttungen wird geschätzt.

Wie funktioniert der Vertrieb von Multi-Asset-Lösungen in der Zielgruppe institutionelle Investoren? Welche speziellen Anforderungen stellt sie an das Asset Management?

Die Nachfrage nach Multi-Asset-Lösungen steigt auch bei institutionellen Investoren stetig an. Uns ist es zuletzt gelungen, einige größere Mandate in Deutschland zu gewinnen. Ein wichtiges Kriterium ist häufig ein individuelles Reporting, das lückenfrei auf die Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten ist.

Sind Liquid Alternatives die neuen Multi Assets - und wie sind Sie hier aktuell aufgestellt?

Liquide alternative Investments sind für uns ein wichtiges Thema, dem wir uns schon frühzeitig gewidmet haben. Mit der GAIA (Global Alternative Investor Access)-Plattform sind wir einer der global führenden Anbieter für Liquid Alternatives, der alternative Strategien für verschiedene Anlegertypen zugänglich macht.

Wir betrachten Liquid Alternatives allerdings nicht als Substitut, sondern eher als Ergänzung zu Multi-Asset-Fonds. Insbesondere in stark politisch geprägten Börsen wird es immer schwieriger, Diversifikation im Portfolio zu erzielen. Deswegen suchen Anleger mehr und mehr nach Strategien, die nicht mit den traditionellen Anlageklassen korrelieren und Kursrückschläge begrenzen. Liquid Alternatives zeichnen sich durch eine höhere Transparenz, Liquidität und Regulierung aus, ohne dabei die wesentlichen Vorteile der Ursprungsstrategien zu verlieren. Von Absolute-Return- über Trendfolge- bis hin zu Katastrophenanleihen-Strategien bieten wir ein breites Spektrum flexibler Produkte an.

Was ist derzeit aus Ihrer Sicht der wichtigste Produkttrend in der Fondsindustrie?

Die Gewinner des aktuellen Marktumfeldes werden Absolute-Return-Strategien, liquide alternative Investments und Multi-Asset-Fonds sein. Auch alle Strategien mit fixen oder variablen Ausschüttungen werden vom Umfeld profitieren, da sie Investoren ein zusätzliches Einkommen zur Verfügung stellen, welches kalkulierbar und zuverlässig erwirtschaftet wird.

"Das Thema ESG wird weiter in den Fokus rücken" >>

Was ist derzeit der wichtigste Produkttrend in Ihrem Haus?

Wir sind sehr breit aufgestellt und haben in jedem Segment der oben genannten "Gewinner-Strategien" für das aktuelle Marktumfeld ein attraktives Angebot.

Welchen Produkttrend sehen Sie in den kommenden Jahren, über den heute noch kaum gesprochen wird?

Hier denke ich vor allen Dingen, dass das Thema ESG (Environmental, Social and Governance) weiter in den Fokus rücken wird. Wir bei Schroders haben dafür schon ein mehr als 20-köpfiges Team, das sich ausschließlich mit diesen Kriterien befasst.

Welcher Produkterfolg eines Mitbewerbers hat Sie in den vergangenen Jahren stark beeindruckt?

Passive Investments - ich bin immer noch überrascht davon, wie kritiklos manche passive Investments getätigt werden. Ohne auf versteckte Kosten und andere Faktoren zu achten.

Auf welche Produktinnovation der vergangenen Jahre aus Ihrem Hause sind Sie besonders stolz?

Wir sind besonders stolz darauf, dass es uns gelungen ist, bereits vor vielen Jahren eine Plattform für Ucits-regulierte Hedgefonds zu etablieren. Wir verwalten aktuell auf unserer Plattform GAIA ein Volumen von circa 5 Milliarden Euro und sind somit einer der erfolgreichsten Anbieter in diesem Segment. Unser Management hat diesen Bedarf bereits Mitte der 2000er-Jahre erkannt.

Dieser Artikel wird bereitgestellt von www.dasinvestment.com

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