Handelsstreit: Der Ton wird rauer – USA kritisieren Chinas „aggressiven Modernisierungsplan“, China bietet deutlich Paroli –„Tanzen nicht nach der Pfeife der USA“

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Von der Konjunkturseite kommen zwar wieder bessere Nachrichten, jedoch bleiben die Anleger aufgrund des Corona-Virus und der politischen Spannungen weiterhin äußerst vorsichtig. Der Dax musste bis zum Mittag nachgeben und notiert derzeit mit knapp 0,5 Prozent im Minus bei 13.128 Punkten.

Was den Anlegern besonders Sorge bereiten dürfte ist der angesichts zunehmender Spannungen rauer werdende Ton zwischen den USA und China. Die USA hätten eine Verantwortung, im Pazifik-Raum eine führende Rolle einzunehmen, und rückten davon keinen Millimeter ab, sagte Verteidigungsminister Mike Esper am Mittwoch (Ortszeit) bei einem Besuch in Hawaii. China verfolge einen „aggressiven Modernisierungsplan, um ein Weltklasse-Militär bis Mitte des Jahrhunderts aufgebaut zu haben“, sagte Esper. Im Wettbewerb der großen Mächte sei der pazifische Raum das Epizentrum. In Peking erwiderte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums, Chinas Militär werde nicht „nach der Pfeife der USA tanzen“ und werde es den Vereinigten Staaten auch nicht erlauben, im Pazifik „für Ärger zu sorgen“. Zwischen beiden Großmächten gibt es eine Reihe von Konflikten, darunter die chinesischen Gebietsansprüche im Westpazifik und die Zukunft Taiwans.

Sorgt die FED heute für Ruhe?

Entweder für Entspannung oder noch mehr Nervosität sorgen könnte heute auch die US-Notenbank FED. In seiner Rede will sich Powell mit der im Jahr 2018 gestarteten Überprüfung der jahrelangen Notenbankstrategie auseinandersetzen. Fachleute halten vor allem Änderungen am Inflationsziel für denkbar. Erwartet wird, dass die Fed künftig nicht mehr eine konkrete Inflationsrate anstreben wird, sondern einen Durchschnittswert. Im Ergebnis würde dies aus heutiger Sicht eine noch längere Phase extrem niedriger US-Zinsen und möglicherweise noch mehr Wertpapierkäufe der Fed nach sich ziehen.

Bisher verfolgt die Fed einen recht übersichtlichen und klaren Zielkatalog. Zum einen soll sie für „maximale Beschäftigung“ – also einen robusten Arbeitsmarkt – sorgen. Zum anderen soll sie „stabile Preise“ anstreben. Seit einigen Jahren versteht die Fed darunter eine Inflationsrate von zwei Prozent. In diesem Ausmaß sollen jedes Jahr die Verbraucherpreise steigen, weil das Folge eines gesunden Wirtschaftswachstums ist. Als drittes, weniger prominentes Ziel werden auf längere Sicht „moderate Zinsen“ angestrebt.

Während die Fed ihr Beschäftigungsziel bis zum Ausbruch der Corona-Krise sehr gut erfüllt hat, hat sie ihr Inflationsziel in den vergangenen Jahren häufig verfehlt. Das führt zu dem sogenannten „Inflationsrätsel“: Warum steigt die Inflation selbst bei hoher Beschäftigung und hohem Wirtschaftswachstum kaum mehr? Der lange Zeit gültige positive Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Inflation – Fachleute sprechen von der „Phillips-Kurve“ – scheint seit der Finanzkrise vor gut einer Dekade kaum noch vorhanden zu sein.

Die Antwort der Fed auf diese Entwicklung könnte sein, dass sie ihr punktgenaues Inflationsziel aufgibt und stattdessen ein durchschnittliches Ziel anpeilt, meinen Fachleute. Das würde bedeuten, dass die Fed ihre Geldpolitik um so länger locker halten muss, je länger sie ihr Inflationsziel verfehlt. Der Grund: Um das Durchschnittsziel zu erreichen, müsste die Fed Phasen zu niedriger Inflation durch Phasen höherer Inflation ausgleichen.

Die Auflösungserscheinungen der Phillips-Kurve sind auch deshalb von Bedeutung, weil die Prognosen der Fed auf diesem Modell basieren. Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner kann sich deshalb vorstellen, dass sich die Fed in ihrer Geldpolitik künftig an der tatsächlichen Inflationsentwicklung orientiert anstatt an der erwarteten Entwicklung. Die Fed würde dann versprechen, ihren Leitzins erst dann anzuheben, wenn das neue durchschnittliche Inflationsziel tatsächlich auch erreicht ist, sagt der Experte.

Weitere entscheidende Änderungen im Rahmenwerk der Fed erwartet Weidensteiner zunächst nicht. Ranghohe Vertreter hätten bereits ihre Abneigung gegenüber Instrumenten wie negativen Leitzinsen oder der Kontrolle von Kapitalmarktzinsen zum Ausdruck gebracht. Beide Instrumente werden derzeit von der japanischen Notenbank eingesetzt. Sie gilt als Vorreiter geldpolitischer Entwicklungen. Für die Fed kommen derartige Neuerungen wohl zunächst nicht in Betracht.

onvista/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: amagnawa1092 / Shutterstock.com

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