US-Wahlkampf: Wie werden die Aktienmärkte auf einen potenziellen Sieg Joe Bidens reagieren?

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Eine Mehrheit der Medien, politischen Beobachter und Finanzmarktanalysten geht momentan davon aus, dass der demokratische Kandidat Joe Biden die US-Wahl gewinnen wird. Zu viel politische wie gesellschaftliche Unruhe hat Donald Trump in den vier Jahren seiner Legislatur hervorgerufen, als das ihm auch in dieser Wahl genug Stimmen zukommen könnten – dazu kommt noch die desolate Lage der US-Wirtschaft, Millionen von Amerikanern haben ihre Jobs im Zuge der Corona-Krise verloren, somit kann Trump auch seinen bisherigen Trumpf, die starke Wirtschaft, nicht mehr für sich ausspielen. Auch bei einem zentralen Thema unserer Zeit, dem Klimawandel, der vor allem für die junge Generation wichtig ist, dürfte Biden mit seiner Initiative die Nase vorn haben.

Doch was wird das Wahl-Ergebnis für die Aktienmärkte bedeuten? Bei dieser Frage sind die Analysten sich weit weniger einig. Laut dem US-Nachrichtendienst CNBC erwartet die Hälfte von 20 befragten Analysten, dass die Märkte im ersten Monat nach einem potenziellen Sieg Bidens fallen werden und nur fünf erwarten eine Rally. Vier erwarten eine Seitwärtsbewegung und einer hat keine Prognose abgegeben.

Bidens möglicher Sieg könnte negative Auswirkungen auf die Aktienmarktentwicklung haben, da davon auszugehen ist, dass die unter Trump vorgenommenen massiven Steuersenkungen für Unternehmen und Vermögende wieder rückgängig gemacht werden und sogar noch erhöht werden. Dies wird den wenigsten Investoren gefallen, da ein erhöhter Steuersatz direkt auf die Gewinne der Unternehmen drückt, die im Zuge der De-Globalisierung, die auch durch Trump und den Handelskrieg ausgelöst wurde, wieder verstärkt auf heimischen Boden produzieren und arbeiten und somit auch in Amerika mehr Steuern zahlen.

Positive Indikatoren könnten hingegen sein, dass Biden – anders als Trump – die Corona-Krise wesentlich effizienter angehen dürfte und durch seine ohnehin geplante Stärkung des Healthcare Systems „Obamacare“, welches von Trump fast vollständig rückgängig gemacht wurde, Amerika auf dieser Ebene am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen lassen könnte. Doch dies ist mit erheblichen Kosten verbunden und kann entsprechend auch für lange Zeit ein Stimmungskiller an den Börsen sein. Auch in Sachen Wandel hin zu Erneuerbaren Energien will Biden angreifen – Ein Projekt mit vielen Risiken, aber auch mit erheblichen Wachstumschancen für die Wirtschaft, ähnlich wie es in Deutschland mit der ausgerufenen Wasserstoff-Strategie der Fall ist.

In Sachen Handelsstreit wird es im Falle eines Biden-Sieges wahrscheinlich wieder eine Annäherung mit Europa geben. Der Kampf mit China um die wirtschaftliche Vorherrschaft wird sich allenfalls in Form einer gesitteteren Kommunikation verändern, im Kern aber genauso weiter gehen. Auch hier bleiben die Gefahren durch eine weitere Eskalation bestehen, auch wenn sie durch Biden weniger unberechenbar – beispielsweise durch einen einzelnen Tweet – ausgelöst werden dürften.

Unabhängig vom Ausgang der Wahl bleibt ohnehin die hohe Bewertung an den Märkten und das künstliche, durch die Notenbanken geschaffene Umfeld das größte Risiko, da es die weitere Entwicklung der Kurse so unberechenbar macht.

Börsen-Veteran Hans A. Bernecker hat uns bereits letzten Freitag seine Einschätzung zur US-Wahl gegeben: „Der amerikanische Wahlkampf wird schmutzig. Am besten erkennbar mit den Auftritten der zwei Vorgänger von Trump, Barack Obama und Bill Clinton. Das Bemerkenswerte daran ist zunächst: Biden und seine Mitstreiterin liefern kein Programm, keine Idee, und konzentrieren sich darauf, Trump abwählen zu lassen. Das ist dünn. Unzweifelhaft gilt: Ein Duo Biden/Harris steht für mehr Sozialstaat in allen Varianten. Also eine Fortsetzung von „Obamacare“. Das ist nicht grundsätzlich falsch, aber behindert mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Aufbau einer Investitionskonjunktur, wie sie für die USA dringend nötig ist. Nicht unähnlich der Situation in den Eurostaaten mit der gleichen Gewichtung. Ob die Wall Street damit eine Zugmaschine für die Weltmärkte sein kann, ist völlig offen. Der beste Indikator dafür ist der Dollar: Er fällt weiter.“

onvista-Redaktion

Foto: Pix_Arena / Shutterstock.com

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