Jackson Hole: Dreht die US-Notenbank am Inflationsziel?

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An diesem Donnerstag und Freitag (27. und 28. August) findet das hochrangig besetzte jährliche Notenbankertreffen statt, das für gewöhnlich im Tal Jackson Hole, im Bundesstaat Wyoming, abgehalten wird. Eine einschneidende Neuerungen ist, dass die Konferenz wegen der Corona-Pandemie nur online stattfinden wird. Einschneidender dürfte jedoch der mit Spannung erwartete Auftritt von US-Notenbankchef Jerome Powell werden. Notenbankbeobachter gehen davon aus, dass der Vorsitzende der Federal Reserve wichtige Änderungen im Zielkatalog der Fed ankündigen wird.

In seiner Rede will sich Powell mit der im Jahr 2018 gestarteten Überprüfung der jahrelangen Notenbankstrategie auseinandersetzen. Fachleute halten vor allem Änderungen am Inflationsziel für denkbar. Erwartet wird, dass die Fed künftig nicht mehr eine konkrete Inflationsrate anstreben wird, sondern einen Durchschnittswert. Im Ergebnis würde dies aus heutiger Sicht eine noch längere Phase extrem niedriger US-Zinsen und möglicherweise noch mehr Wertpapierkäufe der Fed nach sich ziehen.

Bisher verfolgt die Fed einen recht übersichtlichen und klaren Zielkatalog. Zum einen soll sie für „maximale Beschäftigung“ – also einen robusten Arbeitsmarkt – sorgen. Zum anderen soll sie „stabile Preise“ anstreben. Seit einigen Jahren versteht die Fed darunter eine Inflationsrate von zwei Prozent. In diesem Ausmaß sollen jedes Jahr die Verbraucherpreise steigen, weil das Folge eines gesunden Wirtschaftswachstums ist. Als drittes, weniger prominentes Ziel werden auf längere Sicht „moderate Zinsen“ angestrebt.

Während die Fed ihr Beschäftigungsziel bis zum Ausbruch der Corona-Krise sehr gut erfüllt hat, hat sie ihr Inflationsziel in den vergangenen Jahren häufig verfehlt. Das führt zu dem sogenannten „Inflationsrätsel“: Warum steigt die Inflation selbst bei hoher Beschäftigung und hohem Wirtschaftswachstum kaum mehr? Der lange Zeit gültige positive Zusammenhang zwischen Beschäftigung und Inflation – Fachleute sprechen von der „Phillips-Kurve“ – scheint seit der Finanzkrise vor gut einer Dekade kaum noch vorhanden zu sein.

Die Antwort der Fed auf diese Entwicklung könnte sein, dass sie ihr punktgenaues Inflationsziel aufgibt und stattdessen ein durchschnittliches Ziel anpeilt, meinen Fachleute. Das würde bedeuten, dass die Fed ihre Geldpolitik um so länger locker halten muss, je länger sie ihr Inflationsziel verfehlt. Der Grund: Um das Durchschnittsziel zu erreichen, müsste die Fed Phasen zu niedriger Inflation durch Phasen höherer Inflation ausgleichen.

Die Auflösungserscheinungen der Phillips-Kurve sind auch deshalb von Bedeutung, weil die Prognosen der Fed auf diesem Modell basieren. Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner kann sich deshalb vorstellen, dass sich die Fed in ihrer Geldpolitik künftig an der tatsächlichen Inflationsentwicklung orientiert anstatt an der erwarteten Entwicklung. Die Fed würde dann versprechen, ihren Leitzins erst dann anzuheben, wenn das neue durchschnittliche Inflationsziel tatsächlich auch erreicht ist, sagt der Experte.

Weitere entscheidende Änderungen im Rahmenwerk der Fed erwartet Weidensteiner zunächst nicht. Ranghohe Vertreter hätten bereits ihre Abneigung gegenüber Instrumenten wie negativen Leitzinsen oder der Kontrolle von Kapitalmarktzinsen zum Ausdruck gebracht. Beide Instrumente werden derzeit von der japanischen Notenbank eingesetzt. Sie gilt als Vorreiter geldpolitischer Entwicklungen. Für die Fed kommen derartige Neuerungen wohl zunächst nicht in Betracht.

Redaktion onvista / dpa-AFX

Foto: nyker / shutterstock.com

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