Wer die Wahl hat …

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo allerseits! Man ist „erleichtert“: Die Europäer sind’s (zu denen auch alte Börsenfüchse gehören) und vor allem die Franzosen (Vive la France!), hierzulande sind’s außerdem die Merkel-Fans nach dem CDU-Wahlsieg im hohen Norden. Nur dürfen die Anleger bei allem Jubel nicht vergessen, dass die große Erleichterung wegen des Pro-Europa-Votums unserer Nachbarn schon vor zwei Wochen stattgefunden hat - die Stichwahl war also nur eine Bestätigung. Und Schleswig-Holstein ist zwar ein schönes Urlaubsland, aber nicht kursrelevant.

Der heutige Handelsauftakt hat einmal mehr eindrucksvoll-irritierend (oder sollte ich besser sagen: irritierend-eindrucksvoll) gezeigt, dass wir uns auf kurzfristige Kurszuckungen nicht mehr verlassen können. Erste vorbörsliche Berichte feierten die Frankreich-Wahl, denn die Dax-Indikationen machten einen weiteren Satz nach oben - jetzt über die Marke 12.800. Schon wurde die nächste „magische“ Marke verbal angepeilt, also 13.000 Punkte. Dann mussten die Agenturjournalisten das schnell umschreiben: Nach dem „Aufatmen am Aktienmarkt“ folgte wenig später „Dax hakt die Frankreich-Wahl ab“. Denn: „ Große Euphorie kommt am Tag nach der ausgebliebenen Politik-Katastrophe nicht auf. Der Dax dreht nach wenigen Minuten ins Minus.“ Das erinnert uns doch wieder an den zweiten Teil der alten Empfehlung „Buy the rumor, sell the news“ - ganz frei übersetzt: Wenn’s so kommt wie vorher erwartet, musst du Gewinne mitnehmen.

Scherz am Rande (mit seriösen Hintergrund): Das Wort „Erleichterung“ enthält ja „Leichter“ - und das bedeutet Kursrückgänge. Was junge Medienheinis gar nicht mehr kennen, ist „Leichter“ als Tendenzaussage. Das war früher in den Börsenkommentaren die Vorstufe von „Schwächer“ (dann folgten mit verschiedenen Abstufungen „Schwach“ und „Baisse“). Wie unser Kursbild aussieht, wenn Ihr meine Zeilen lest, ist unvorhersehbar. Ist unter Anlagegesichtspunkten aber auch nicht so wichtig.

Hinzu kommt, dass in ersten Analystenkommentaren auch noch eine Portion Skepsis mitschwingt, wie beispielsweise bei den Genossen der DZ Bank: „Europa kann vorerst aufatmen, denn in den zentralen politischen Fragen steht der neue Präsident für einen gemäßigten Kurs. Der bei einer Wahl Le Pens befürchtete rasche Niedergang und das teils ausgerufene Auseinanderbrechen des Euro fällt damit vorerst aus. Doch die Erleichterung Europas und die Freude des Gewinners dürften nur kurz anhalten. Der neue Hausherr im Élysée-Palast wird von Beginn an unter Druck stehen, der offensichtlichen Spaltung des Landes entgegenzuwirken. Längerfristig besteht außerdem das Risiko, dass sich Macron ohne eigene Hausmacht in der französischen Nationalversammlung mit seinen Vorhaben nicht durchsetzen kann und somit die Wende in Frankreich nicht gelingt. Dann könnte Le Pen in fünf Jahren einen neuen Versuch mit vielleicht höheren Siegchancen wagen. Somit wird sich noch zeigen, ob Macron nicht unter dem Strich nur den Weg für Le Pen bereitet hat.“

Puh, das ist Musik von übermorgen. Als Anleger hast du die Qual nach der Wahl. Einmal die Chance für Gewinnmitnahmen. Kann nicht falsch sein. Andererseits ergeben sich neue Kaufgelegenheiten - in Frankreich und hierzulande. Die 13.000 Dax sind keine Illusion.

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