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    DeFi in Schockstarre, Kommentar zum Kryptomarkt von Alex Wehnert
Frankfurt (ots) - Der Kryptomarkt befindet sich nach den jüngsten Turbulenzen in
Schockstarre - und ein Ende dieses Zustands ist vorerst nicht in Sicht. Doch
während in der breiten Diskussion an den Finanzmärkten die Kursrücksetzer der
führenden Digitalwährung Bitcoin im Fokus stehen, ist die Wertvernichtung im
dezentralisierten Finanzwesen (DeFi) noch wesentlich besorgniserregender. Der
Grundgedanke hinter DeFi besteht darin, klassische Finanzkonzepte mit
Distributed-Ledger-Technologien zu verbinden und zentrale Intermediäre wie
Börsenmakler und Banken abzulösen. Dabei helfen Smart Contracts, also
Computerprotokolle, die Verträge abbilden sowie Transaktionen dezentral und
automatisiert ausführen können. Seit Anfang Mai sind aus Smart Contracts mit
DeFi-Bezug laut der Plattform DeFi Llama mehr als 90 Mrd. Dollar abgeflossen -
am Freitag belief sich das Volumen des Kryptokapitals, das in solchen
Protokollen lag, auf nunmehr 106 Mrd. Dollar.

Ein bedeutender Teil der Abflüsse dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der
Kollaps des Stablecoin TerraUSD (UST) das Vertrauen in dezentrale Anwendungen
erheblich beschädigt hat. Der algorithmische Krypto-Token, der eigentlich
Wertstabilität gewährleisten sollte und an den Dollar gekoppelt war, hatte zu
Monatsbeginn vollständig die Bindung an den Greenback verloren und soll nun im
Zuge eines Wiederaufbauplans für die zugehörige Blockchain effektiv begraben
werden. Der UST-Crash traf auch Bitcoin hart, weil die Organisation hinter dem
Stablecoin großvolumige Reserven in der führenden Cyberdevise hält und diese in
dem Versuch, das eigene System zu stabilisieren, anzapfen musste.

Doch die zweitgrößte Digitalwährung Ether geriet noch deutlich heftiger unter
Druck: Auf Monatsfrist hat sie zum Dollar nahezu 40 % an Wert eingebüßt, bei
Bitcoin beträgt der Verlust 28 %. Trotz seiner beträchtlichen Rücksetzer ist der
Marktprimus damit relativ zur Nummer zwei des Segments so teuer wie zuletzt im
vergangenen Oktober, als die Einführung Futures-basierter Bitcoin-ETFs in den
USA eine gewaltige Euphorie unter den Anlegern entfacht hatte. Auch in Bezug auf
das gesamte Kryptosegment hat die älteste Cyberdevise zuletzt wieder an Dominanz
gewonnen: Ihr Anteil an der gesamtem Marktkapitalisierung aller umlaufenden
Krypto-Einheiten ist laut der Plattform Coinmarketcap auf 45 % gestiegen,
nachdem er zu Jahresbeginn noch unter die Marke von 40 % gefallen war.

Diese Entwicklung hängt auch damit zusammen, dass Stablecoins wie UST integraler
Bestandteil vieler DeFi-Anwendungen sind - und der Trend zum dezentralen
Finanzwesen für Bitcoin eine wesentlich geringere Rolle spielt als für Ethereum
oder andere Herausforderer wie Solana oder Cardano. Denn während Letztere häufig
gleich mit DeFi-Fokus gestartet sind, ist die Bitcoin-Blockchain erst seit dem
im vergangenen November aufgespielten Upgrade "Taproot" fähig, komplexere Smart
Contracts abzubilden. Dies zeigt auch das Volumen des jeweils gespeicherten
Kryptokapitals: In dezentralen Protokollen auf Ethereum liegen noch immer 67,5
Mrd. Dollar, auf Bitcoin sind es lediglich 166 Mill. Dollar.

Für Ether bahnen sich nun zusätzliche Rückschläge an, weil sich im Zuge der lang
erwarteten Umstellung des Ethereum-Netzwerks auf den
Proof-of-Stake-Konsensmechanismus Unstimmigkeiten ergeben haben. Mit dieser soll
der Betrieb der Blockchain gerade im Vergleich zum von Bitcoin genutzten,
äußerst rechenintensiven Proof-of-Work-Mechanismus energieeffizienter werden.
Infolge zuletzt offenbar gewordener Sicherheitslücken droht sich die Umstellung
aber zu verzögern.

Bitcoin besitzt im aktuellen Umfeld also leichte Vorteile gegenüber den
stärksten Herausforderern. Aufwärtspotenzial ergibt sich für den Marktprimus
damit aber noch lange nicht, da dieser aufgrund seiner Rolle als
Spekulationsobjekt besonders stark unter der allgemeinen Risikoscheu an den
Finanzmärkten leidet - und diese wird durch die jüngsten Stablecoin-Turbulenzen
eben noch einmal verstärkt.

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