Deutscher Einzelhandel mit größtem Umsatzeinbruch seit 1994

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- von Rene Wagner

Berlin (Reuters) - Hohe Inflation, Corona-Krise, Ukraine-Krieg: Die deutschen Einzelhändler haben ein außergewöhnlich schwieriges erstes Halbjahr mit dem stärksten Umsatzeinbruch seit 28 Jahren beendet.

Ihre Einahmen fielen im Juni inflationsbereinigt (real) um 8,8 Prozent niedriger aus als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. "Das ist der größte Rückgang zum Vorjahresmonat seit Beginn der Zeitreihe 1994", hieß es dazu. Nominal - also nicht preisbereinigt - nahm der Umsatz dagegen nur um 0,8 Prozent ab. "Die Differenz zwischen den nominalen und realen Ergebnissen spiegelt die hohen Preissteigerungen im Einzelhandel wider, die das Konsumklima spürbar beeinträchtigen", erklärten die Statistiker.

Ökonomen sagen dem Einzelhandel anhaltend schwierige Zeiten voraus. "Das war nicht die letzte schlechte Konsumnachricht", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank AG, Alexander Krüger. "Wegen der miserablen Konsumlaune dürfte der Konsumstern fortan weiter sinken. Die Verbraucher kämpfen mit gravierenden Realeinkommensverlusten." Zuletzt lag die Inflationsrate mit mehr als sieben Prozent so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr, weil durch den Ukraine-Krieg die Energiepreise nach oben geschossen sind.

Auch die Gasumlage - die für viele Deutsche spätestens im Herbst einen neuerlichen Preisschub bedeutet - dürfte viele Konsumwünsche in diesem Jahr beschneiden. Wirtschaftsminister Robert Habeck bezifferte die Mehrkosten auf mehrere Hundert Euro pro Haushalt, die auf die Verbraucher durch die Umlage zukommen und dann nicht für das Shoppen zur Verfügung stehen. "Der Tiefpunkt beim Konsum kommt erst noch", erwartet Volkswirt Krüger daher.

KONSUMLAUNE AUF REKORDTIEF

Das schätzt der Handelsverband Deutschland (HDE) ganz ähnlich ein. Dessen Konsumbarometer - das auf einer monatlichen Umfrage unter 1600 Personen beruht - stürzte im August auf ein Rekordtief ab. "Zurückzuführen ist die starke Eintrübung der Verbraucherstimmung insbesondere auf die in den vergangenen Wochen gewachsenen Unsicherheiten in der Energieversorgung und Energiepreisentwicklung", so der Branchenverband. "In den kommenden drei Monaten ist vor diesem Hintergrund mit Konsumzurückhaltung zu rechnen." Der noch vor einigen Monaten für möglich gehaltene Konsum-Boom angesichts der Entspannung in der Corona-Pandemie falle somit aus.

Auch im Vergleich zum Vormonat gab es einen Umsatzrückgang bei den Einzelhändlern: Inflationsbereinigt sanken die Einnahmen um 1,6 Prozent im Vergleich zum Mai. Das kommt überraschend: Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten hier mit einem leichten Wachstum von 0,2 Prozent gerechnet. Die Verbraucher gaben dabei 1,6 Prozent weniger für Lebensmittel aus. "Der Rückgang ist vermutlich vor allem den gestiegenen Preisen für Lebensmittel geschuldet", so die Statistiker. Der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren konnte den positiven Trend des bisherigen Jahresverlaufs nicht fortsetzen und nahm im Juni 5,4 Prozent weniger ein als im Vormonat.

Auch der lange Zeit boomende Internet- und Versandhandel verbuchte gegenüber dem Vormonat einen Umsatzrückgang von 3,8 Prozent. Verglichen mit dem Vorjahresmonats gab es mit minus 15,1 Prozent sogar den größten Rückgang seit 1994. Im Vergleich zum Juni 2019 liegt der Umsatz aber noch 22,3 Prozent über dem Niveau vor der Corona-Pandemie.

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