ROUNDUP 3/Ende einer Hängepartie: Deutsche Kampfpanzer für die Ukraine

dpa-AFX · Uhr

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BERLIN(dpa-AFX) - Nach langem Zögern ist die Entscheidung gefallen: Deutschland liefert Leopard-Kampfpanzer in die Ukraine und erlaubt das auch anderen Ländern. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstag in Berlin aus Koalitionskreisen. Zuvor hatten "Spiegel" und ntv darüber berichtet. Geplant ist laut "Spiegel", mindestens eine Kompanie mit der Version Leopard 2A6 aus Beständen der Bundeswehr auszustatten. Dafür wären 14 der Waffensysteme nötig.

Ukraine bittet seit Monaten

Seit Monaten pocht die Ukraine auf die Lieferung von Kampfpanzern westlicher Bauart für den Kampf gegen die russischen Angreifer. Die erste offizielle Anfrage erfolgte schon eine Woche nach Kriegsbeginn Anfang März vergangenen Jahres.

Die Frontlinie in der Ostukraine hat sich seit Wochen kaum noch bewegt. Mit den Kampfpanzern hofft die Ukraine, wieder in die Offensive zu kommen und weiteres Gelände zurückzuerobern. Gleichzeitig wird für das Frühjahr eine Offensive Russlands befürchtet.

Lob und Kritik

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, bejubelte die geplante Lieferung an sein Land - und stellte sogleich weitergehende Forderungen nach modernen Kampfjets. "Halleluja! Jesus Christus!", schrieb er auf Twitter, "Und nun, liebe Verbündete, lasst uns eine starke Kampfjet-Koalition für die Ukraine auf die Beine stellen, mit F-16 und F-35, Eurofightern und Tornados, Rafale und Gripen-Jets - und allem, was ihr der Ukraine liefern könnt." Melnyk ist inzwischen stellvertretender Außenminister seines Landes, das vor etwa elf Monaten von Russland überfallen wurde.

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sagte der dpa in Berlin: "Die Entscheidung war zäh, sie dauerte viel zu lange, aber sie ist am Ende unausweichlich. Dass Deutschland die Lieferung seines Panzers Leopard 2 durch Partnerländer freigibt und auch selbst liefert, ist eine erlösende Nachricht für das geschundene und tapfere ukrainische Volk."

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt twitterte auf Englisch: "Der Leopard ist befreit!" Sie schrieb: "Jetzt kann er hoffentlich schnell der Ukraine bei ihrem Kampf gegen den russischen Angriff und für die Freiheit der Ukraine und Europas helfen." Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter (Grüne), sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "Natürlich wäre es besser gewesen, die Entscheidung schneller zu treffen, insbesondere für das Ansehen Deutschlands in Europa. Aber besser spät als gar nicht." Fast wortgleich äußerte sich Hofreiter in der "Rheinischen Post".

Unionsfraktionschef Friedrich Merz begrüßte die Entscheidung, warf Kanzler Olaf Scholz (SPD) aber zugleich Zögerlichkeit vor. "So bleibt das Bild eines Getriebenen, der zu lange gezögert hat."

Die AfD im Bundestag bezeichnete die Entscheidung dagegen als "unverantwortlich und gefährlich". Fraktionschef Tino Chrupalla erklärte: "Deutschland droht dadurch direkt in den Krieg hineingezogen zu werden. Durch die Lieferung von Panzern aus Beständen der Bundeswehr werden unsere Streitkräfte weiter geplündert."

Auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die Entscheidung. "Die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern, womit ein weiteres Tabu fällt, führt uns potenziell näher an den Dritten Weltkrieg als Richtung Frieden in Europa", sagte er der dpa.

Scholz stand in der Frage der Leopard-Lieferungen seit Wochen in der Kritik - vorgeworfen wird ihm ein zu zögerliches Vorgehen. Auch in der eigenen Koalition gab es Unmut. Die Regierung begründete ihr Vorgehen unter anderem mit dem Risiko einer Eskalation und der nötigen internationalen Abstimmung.

Polen will 14 von 247 Panzern liefern

Deutschland nimmt als Produktionsland in der Frage um die Leopard-Lieferung eine Schlüsselrolle ein. Werden Rüstungsgüter an andere Staaten verkauft, werden in die Verträge immer sogenannte Endverbleibsklauseln eingebaut. Darin ist geregelt, dass bei einer Weitergabe an dritte Länder die Bundesregierung zustimmen muss.

Ganz konkret unter Zugzwang stand Scholz seit Dienstag wegen des offiziellen Exportantrags der polnischen Regierung. Polen macht in der Diskussion um die Kampfpanzer-Lieferungen schon seit längerem Druck auf Deutschland. Bereits in der vorvergangenen Woche hatte Präsident Andrzej Duda verkündet, man wolle der Ukraine 14 Leopard-Kampfpanzer überlassen. Insgesamt hat Polen nach Angaben des Verteidigungsministeriums 247 Leopard-2-Panzer in drei unterschiedlichen Versionen (A4, A5 und PL). Sie wurden 2002 und 2013 in zwei Tranchen aus den Beständen der Bundeswehr für insgesamt etwa 200 Millionen Euro gekauft.

Deutschland liefert bereits Waffen

Deutschland liefert seit Kriegsbeginn Waffen in die Ukraine. Seither wurden unter anderem schwere Artilleriegeschütze und Luftabwehrsysteme geliefert. Zugesagt hat sie auch bereits Schützenpanzer vom Typ Marder, die deutlich weniger schlagkräftig sind als der Leopard 2.

Im vergangenen Jahr verfügte die Bundeswehr noch über 312 Leopard-2-Panzer, darunter aber kein einziges Modell der älteren Version Leopard 2A4, wie sie von Polen übergeben werden sollen.

Berichte: Bewegung auch in den USA

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte immer betont, dass er bei der Bereitstellung qualitativ neuer Waffensysteme nur gemeinsam mit den USA handeln wolle. So war es auch bei der Bereitstellung von Mehrfachraketenwerfern oder Schützenpanzern. Und in der Tat kamen am Dienstag aus den USA Berichte, wonach US-Präsident Joe Biden nun doch die Lieferung von M1-Abrams-Panzern erwägt.

Das "Wall Street Journal" berichtete, eine Ankündigung über die Zusage "einer größeren Anzahl" der M1 Abrams zur Abwehr des russischen Angriffskriegs könnte noch diese Woche kommen. Biden habe Scholz in einem Telefonat vergangene Woche zugesagt, eine solche Lieferung prüfen zu lassen, meldete das Blatt unter Berufung auf nicht namentlich genannte Quellen. Die US-Regierung bestätigte die Berichte am Dienstag nicht.

Die USA hatten bisher betont, die Bereitstellung der Abrams-Panzer sei aus praktischen Gründen nicht sinnvoll. Die US-Panzer müssten über den Atlantik transportiert werden, die Instandhaltung sei aufwendiger, und sie verbrauchten zu viel Treibstoff, hieß es bisher aus dem Verteidigungsministerium.

Polen will breite Koalition - Tschechien will nicht verzichten

Polen will eine europäische Koalition zur Lieferung von Kampfpanzern bilden. Bisher hat aber nur Großbritannien die Lieferung von Challenger-2-Kampfpanzern zugesagt. Von den 14 europäischen Staaten, die Leopard-Panzer haben, hatte neben Polen bisher nur Finnland öffentlich Bereitschaft signalisiert, einige Exemplare abzugeben. Am Dienstag zeigte sich dann auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte offen dafür, 18 von Deutschland geleaste Leopard-2-Panzer der Ukraine zur Verfügung zu stellen. "Wir haben sie geleast, das heißt, dass wir sie kaufen können, das heißt, dass wir sie spenden können", sagte er im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Mittwoch) und einigen weiteren internationalen Medien in Brüssel.

Tschechien kündigte am Dienstag an, nicht zugunsten der Ukraine auf die Leopard-2-Kampfpanzer verzichten zu wollen, die Deutschland im Zuge eines Ringtauschs zugesagt hat. "Es ist jetzt nicht möglich, die Leoparden weiterzuschicken, weil wir brauchen diese Panzer für unsere Sicherheit", sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala der dpa nach einem Treffen mit Scholz in Berlin.

Tschechien hatte der Ukraine im vergangenen Jahr Dutzende T-72-Kampfpanzer sowjetischer Bauart zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung sagte der Regierung in Prag dafür im Zuge des sogenannten Ringtauschs 14 Leopard-2-Panzer und einen Bergepanzer zu. Der erste Leopard wurde im vergangenen Dezember geliefert.

Russland: "Solche Lieferungen verheißen nichts Gutes"

Schon vor der Entscheidung hatte der Kreml vor einer weiteren Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen gewarnt, sollte die Bundesregierung der Lieferung von Leopard-Kampfpanzer zustimmen. "Solche Lieferungen verheißen nichts Gutes für die Zukunft der Beziehungen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge./mfi/DP/nas

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