Volkswagen nimmt bei E-Mobilität Fahrt auf

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- von Jan Schwartz und Victoria Waldersee

Berlin (Reuters) - Volkswagen-Chef Oliver Blume drückt beim Wechsel in die Elektromobilität aufs Tempo.

Der Wolfsburger Konzern will in den nächsten fünf Jahren 180 Milliarden Euro investieren. Mehr als zwei Drittel davon fließen bis 2027 in die Elektrifizierung der Fahrzeugflotte und die Digitalisierung, wie Blume am Dienstag ankündigte. Die Mittel für diese gewaltige Investitionsoffensive will Europas größter Autokonzern aus dem Barmittelzufluss schöpfen und hofft dabei auf eine stabile Konjunktur. Sollte die nicht laufen wie erhofft, hält sich Volkswagen die Tür für weitere Börsengänge offen. Es gebe einige Konzernmarken, die Potenzial für einen Gang aufs Börsenparkett hätten, sagte Blume bei der Bilanzpräsentation in Berlin. Er nannte aber keine Namen.

"2023 wird ein entscheidendes Jahr, um strategische Ziele umzusetzen und den Fortschritt des Konzerns zu beschleunigen", betonte Blume, der in Personalunion Chef der börsennotierten Sportwagentochter Porsche ist. Bei den Investitionen will sich Blume auf die attraktivsten Profit-Pools konzentrieren. Das sind die Bereiche, in denen Volkswagen auf dem Weg zu einem softwaregestützten Mobilitätskonzern eine Zukunft sieht. Auch in die letzte Generation von Verbrennungsmotoren will Volkswagen investieren, allerdings ist das Ende absehbar. Der Höhepunkt der Investitionen über alle Felder hinweg soll zur Mitte des Jahrzehnts erreicht werden, danach sollen die Ausgaben kontinuierlich sinken. Spätestens dann will Volkswagen mit Elektroautos soviel Geld verdienen wie mit Verbrennern. Finanzvorstand Arno Antlitz sprach in dem Zusammenhang von der "Zeit des Erntens".

Zu den Zukunftsfeldern zählen die Wolfsburger vor allem den Ausbau der Batterieproduktion, um mit der wachsenden Zahl an Elektroautos Schritt zu halten, den Ausbau der Präsenz in Nordamerika, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit in China in der Digitalisierung und die Weiterentwicklung des Modellangebots. Die Software-Tochter Cariad soll in die Spur gebracht werden. Blume hatte nach seinem Amtsantritt im September bereits damit begonnen, Projekte zu entzerren und komplexe Software-Anläufe zu verschieben. In diesem Jahr soll die Hochleistungssoftware 1.2 für Premium- und Luxusmarken finalisiert werden. Sie werde Elemente enthalten, die mittelfristig in die einheitliche Software 2.0 des Konzerns überführt werden sollten. "Damit sind wir dann in der Lage, Riesen-Skalenvorteile im Konzern auszuschöpfen", sagte Blume.

Die Probleme von Cariad hatten dazu geführt, dass der frühere Konzernchef Herbert Diess von Blume abgelöst wurde. Aus der Konzernbilanz geht hervor, dass Cariad im vergangenen Jahr mit 2,1 Milliarden Euro tiefrote Zahlen schrieb. Das dürfte allerdings auch mit hohen Anlaufinvestitionen zusammenhängen.

15 MILLIARDEN FÜR AKKUS UND ROHSTOFFE RESERVIERT

Allein 15 Milliarden Euro aus der Investitionsoffensive stecken die Wolfsburger in den Aufbau von Zellfabriken der Batterie-Tochter PowerCo und die Sicherung von Rohstoffen für Akkus. Antlitz sagte, in der Summe seien Mittel für die Batteriezellfabriken in Salzgitter, Valencia und Kanada enthalten sowie ein "kleiner Vorhalt für weitere Ausweitungen". Volkswagen will seine erste Zellfabrik in Salzgitter 2025 an den Start bringen, 2026 soll das Werk im spanischen Valencia folgen und 2027 ein dritter Standort, möglicherweise in Osteuropa. In der kanadischen Provinz Ontario baut Volkswagen seine erste Batteriezellfabrik außerhalb Europas. Dort soll 2027 die Produktion von Einheitszellen starten.

Um die Ertragskraft des Mehr-Markenkonzerns zu steigern, setzt Volkswagen auf virtuelle Börsengänge, die derzeit alle Marken durchlaufen. Blume sagte, schon bei einer ersten Bestandsaufnahme im Januar habe sich gezeigt, dass "riesiges Potenzial" in dem Konzern schlummere. Mit Blick auf mögliche Börsengänge sagte Blume: "Wir machen das sehr behutsam, dann wenn's passt, genauso wie wir das bei Porsche gemacht haben." Volkswagen hatte die Sportwagentochter im September erfolgreich an die Börse gebracht.

Bei der Bestandsaufnahme sei aber auch klar geworden, dass es in einigen Bereichen noch Handlungsbedarf gebe. Antlitz nannte auf Nachfrage die Volumengruppe mit Marken wie VW, Skoda und Seat, die Synergien besser nutzen soll. Dazu werde derzeit ein Programm erarbeitet. Markengruppenchef Thomas Schäfer will das Erscheinungsbild der einzelnen Marken schärfen und die Prozesse beschleunigen.

Der Hauptmarke VW waren von früheren Konzernchefs, allen voran Martin Winterkorn, die hohen Investitionen für Neuentwicklung aufgebürdet worden, von denen alle Marken des Konzerns profitierten. Diese Kosten sollen nun den einzelnen Bereichen stärker zugeordnet werden. Die Ergebnisse der virtuellen Börsengänge, die die Marken durchlaufen, um ihre Kapitalmarktfähigkeit unter Beweis zu stellen, will Volkswagen auf einem Kapitalmarkttag am 21. Juni präsentieren.

(Redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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