Menschheit lebt weitgehend jenseits der Grenzen des Erdsystems

dpa-AFX · Uhr

POTSDAM (dpa-AFX) - Nicht nur die Erderwärmung bedroht das Leben auf der Erde, wie es bisher bekannt ist, sondern auch andere vom Menschen beeinflusste Entwicklungen. Dazu gehören etwa die knapper werdenden Süßwasserreserven, die Umweltverschmutzung und die Verringerung der Artenvielfalt (Biodiversität). Die Earth Commission, ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftlern, hat nun sichere und gerechte Grenzen des Erdsystems benannt und in Zahlen gefasst. In ihrer Studie in der Fachzeitschrift "Nature" schreibt die Gruppe um Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dass sieben von acht sicheren und gerechten Grenzen bereits überschritten seien.

Aus Sicht der mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gefährdet der Mensch mit seiner heutigen Lebensweise die Stabilität und Belastbarkeit des gesamten Planeten. Bei der Biodiversität zum Beispiel sehen die Studienautoren bereits zwei sichere und gerechte Grenzen überschritten: 50 bis 60 Prozent der Landfläche müssten naturbelassen sein oder nachhaltig bewirtschaftet werden, damit die natürlichen Leistungen der Ökosysteme wie Bestäubung, frisches Wasser und frische Luft erhalten bleiben. Derzeit treffe dies aber nur auf 45 bis 50 Prozent der Landfläche zu. Und die Forderung, dass 20 bis 25 Prozent jedes Quadratkilometers von weitgehend natürlicher Vegetation bedeckt sein sollte, werde nur auf einem Drittel der vom Menschen beeinflussten Landfläche erfüllt.

Zum Tragen kommt das Gerechtigkeitskonzept auch beim Klimawandel: Während eine Erwärmung um 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter von den Wissenschaftlern noch als "sicher" eingestuft wird, sehen sie die Erwärmung um maximal ein Grad als "gerecht" an. Denn schon beim heutigen Stand seien mehrere zehn Millionen Menschen massiv vom Klimawandel betroffen, schreiben die Studienautoren. Diese Zahl werde sich mit jedem Zehntelgrad größerer Erwärmung drastisch erhöhen.

"Mit dem bisherigen Fokus auf globale Mittelwerte, zum Beispiel die globale Mitteltemperatur, werden alle Regionen gleichbehandelt, was aber nicht der Fall ist", erklärte Christian Franzke von der Pusan National University in Südkorea, der selbst nicht an der Analyse beteiligt war. "Diese Studie legt nun den Fokus darauf, dass alle Regionen bewohnbar bleiben sollen, was nur gerecht ist, da die am meisten durch den globalen Klimawandel betroffenen Gebiete am wenigsten zur Klimaerwärmung beigetragen haben."

Die vom Menschen verursachten Aerosole in der Luft bilden das einzige Kriterium, bei denen die sichere und gerechte Grenze des Erdsystems dem Forschungsteam zufolge noch nicht überschritten ist. Lokal ist der gerechte Wert zwar demnach schon überschritten, aber wegen Datenmangels geben die Forschenden keinen aktuellen Stand der weltweiten Aerosolbelastung an./fm/DP/mis

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