Handelssorgen und Spannungen im Nahen Osten drücken Börsen

Frankfurt (Reuters) - Enttäuschung über den Handelsdeal zwischen den USA und China sowie zunehmende Spannungen im Nahen Osten ziehen die Aktienmärkte in Europa nach unten.
Der Dax gab am Donnerstag in der Spitze um 1,4 Prozent auf 23.619 Punkte nach; der EuroStoxx50 sank zeitweise um 1,2 Prozent auf 5328 Zähler. "Der Optimismus über die Verhandlungen zwischen den USA und China ist an den Börsen schnell verflogen", sagte Thomas Altmann, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter QC Partners. "Dazu sorgen die von Donald Trump genannten Zollsätze von 55 Prozent für Waren aus China und nur zehn Prozent für Waren aus den USA auf den Parketten dieser Welt für Verwunderung."
Nach zwei Verhandlungstagen in London hatten die USA und China mitgeteilt, eine Grundsatzverständigung erzielt zu haben. Sie soll vor allem Exportkontrollen - etwa für Seltene Erden aus China - lockern. Ein Zoll von 55 Prozent auf Importe aus China soll aber bestehen bleiben. "Der Handelsstreit zwischen Washington und Peking ist noch nicht vom Tisch", kommentierte IG-Analyst Christian Henke. Die Verhandlungen hätten nicht den erhofften Durchbruch gebracht. "Den Märkten waren die Ergebnisse zu wenig, wie auch die genauen Details zu den Verhandlungen."
DOLLAR FÄLLT - EURO IM HÖHENFLUG
Der Dollar-Index, der in diesem Jahr rund zehn Prozent verloren hat, sank um ein halbes Prozent auf 97,94 Punkte. Im Gegenzug kletterte der Euro um 0,9 Prozent auf bis zu 1,1587 Dollar und sprang damit auf den höchsten Wert seit dreieinhalb Jahren. Der zwischen den USA und China erzielte "Deal" sei aus Marktsicht "nicht mehr als heiße Luft", sagte Commerzbank-Analystin Thu Lan Nguyen. "Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass auch die anderen US-Handelspartner bis zum Ende des 90-Tage-Moratoriums kaum Konzessionen hinsichtlich der Anfang April verkündeten reziproken Zölle erwirken können - egal wie sehr sie sich bemühen."
Auch geopolitsche Sorgen bremsten den Risikoappetit der Anleger. "Trumps Kommentare über waffenfähiges Uran des Iran verschrecken die Anleger genauso stark wie neue Drohungen des Präsidenten im Zollstreit", sagte Jochen Stanzl, Analyst beim Broker CMC Markets. Für Verunsicherung sorgte auch Trumps Ankündigung, dass wegen der zunehmenden Spannungen mit dem Iran ein Teil des US-Personals aus dem Nahen Osten abgezogen werde.
REISEKONZERNE UNTER DRUCK
Bei den Einzelwerten ließen vor allem Aktien aus der Reise- und Freizeitbranche Federn; der entsprechende Index gab mehr als zwei Prozent nach. Anteilsscheine von Tui büßten mehr als sieben Prozent ein. Lufthansa-Aktien verbilligten sich um rund vier Prozent. Nach dem Absturz eines Flugzeugs in Indien gaben zudem Boeing-Aktien vor US-Börsenstart um rund acht Prozent nach. Eine Maschine der Air India mit mehr als 200 Menschen an Bord stürzte nahe dem Flughafen von Ahmedabad im Westen Indiens kurz nach dem Start ab. Den Daten von Flightradar zufolge handelte es sich bei dem Flugzeug um eine Boeing 787-8 Dreamliner. Angaben zu Opfern wurden zunächst nicht gemacht.
Gegen den Trend stiegen dagegen die Aktien von BE Semiconductor (Besi) zeitweise mehr als zehn Prozent auf ein Viereinhalb-Monats-Hoch. Wegen des wachsenden Bedarfs an Hochleistungsrechnern für Künstliche Intelligenz (KI) hob der Anbieter von Spezialmaschinen für die Montage von Computerchips seine langfristigen Ziele an. Auch bei Tesco griffen Anleger zu. Die Titel verteuerten sich in London um rund drei Prozent, nachdem sich das Wachstum der Inlandsverkäufe des größten britischen Lebensmitteleinzelhändlers im ersten Quartal beschleunigt hatte.
(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Christian Rüttger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)