Miniwachstum im Euroraum: "US-Zölle und starker Euro hinterlassen Spuren"

Berlin (Reuters) - Inmitten des Zollstreits mit den USA hat sich die Wirtschaft in der Euro-Zone im Frühjahr nur mit Mühe in der Wachstumsspur gehalten.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Währungsraum legte von April bis Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal zu, wie das EU-Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte und damit eine frühere Schätzung bestätigte. Im ersten Quartal hatte es noch ein starkes Plus von 0,6 Prozent gegeben. Die deutsche Wirtschaft schrumpfte im Frühjahr um 0,3 Prozent und war damit eines der Schlusslichter im Euroraum: Nur in Finnland lief die Wirtschaft mit einem Minus von 0,4 Prozent noch schlechter, während das jüngste Eurozonen-Mitglied Kroatien mit einem Wachstum von 1,2 Prozent glänzte.
Das DIW-Institut sagt der deutschen Wirtschaft dank der staatlichen Ausgaben ab 2026 eine spürbare Belebung voraus. Nach einem Miniwachstum von 0,2 Prozent in diesem Jahr dürfte das BIP im nächsten Jahr um 1,7 Prozent zulegen. Und 2027 könnte es noch einmal um weitere 1,8 Prozent steigen, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu seiner Konjunkturprognose mitteilte. Wachsende Reallöhne, die gefallene Inflation und die für das kommende Jahr erwartete Belebung auf dem Arbeitsmarkt wirkten ebenfalls positiv.
Das Berliner Institut verweist zugleich darauf, dass sich die weltwirtschaftliche Lage eingetrübt hat: Die größten Bremsfaktoren blieben die verschärften Handelsbarrieren infolge der US-Zollpolitik sowie die anhaltende Unsicherheit: "Im exportgetriebenen Euroraum hinterlässt zusätzlich zu den US-Zöllen auch der starke Euro tiefe Spuren, weil er die Ausfuhren weiter verteuert."
SIGNALE STEHEN WEITER AUF WACHSTUM
Aus Sicht der Commerzbank-Ökonomen Ralph Solveen und Vincent Stamer hellen sich die Wachstumsaussichten derzeit allerdings wieder auf. Sie verweisen dabei auf Frühindikatoren wie den Einkaufsmanagerindex (PMI) für die Gesamtwirtschaft im Euroraum. Dieser ist in den vergangenen drei Monaten gestiegen und signalisierte zuletzt ein verhaltenes Wachstumstempo. Besonders deutlich hat sich seit Anfang des Jahres der PMI für das verarbeitende Gewerbe erholt und zuletzt zum ersten Mal seit drei Jahren die Wachstumsschwelle von 50 Punkten überschritten: "Auslöser für diesen zurückhaltenden Optimismus könnte sein, dass die hiesigen besseren Finanzierungsbedingungen die Handelshemmnisse in die USA zumindest ausgleichen."
Positiv zu werten ist laut den Commerzbank-Experten auch die Zolleinigung mit den USA: Die Einfuhrzölle seien zwar deutlich höher als zuvor. Doch zumindest habe sich die handelspolitische Unsicherheit verringert. EZB-Direktorin Isabel Schnabel hatte jüngst im Reuters-Interview betont, die Wirtschaft habe sich trotz der Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump als widerstandsfähiger erwiesen als erwartet.
Die EZB steuert offenbar auf eine weitere Zinspause zu. Die meisten Ökonomen erwarten, dass die Europäische Zentralbank ihren Leitzins in diesem Jahr nicht mehr antasten wird, da die Inflation in der Euro-Zone inzwischen eingedämmt scheint. Die Teuerungsrate lag im August bei 2,1 Prozent und damit nur leicht über der EZB-Zielmarke von 2,0 Prozent. Im Juli und Juni hatte die Inflationsrate genau auf dieser Marke gelegen.
(Bericht von Reinhard Becker, Klaus Lauer, redigiert von Sabine Ehrhardt - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)



