Was der Buffett-Indikator über die aktuelle Marktlage verrät
Passend zu Halloween eine Horrormeldung: “Der Buffett-Indikator kommt in die Todeszone.” Kommt jetzt der Absturz der internationalen Kapitalmärkte oder bleibt die positive Grundstimmung bis ins neue Jahr bestehen? Diese Fragen stehen nach sehr starken zehn Monaten an den Börsen im Fokus vieler Investoren.
Heiko Böhmer

Zum Halloween Stichtag stehen viele Indizes einmal mehr deutlich im Plus. Die massive Verunsicherung aus dem ersten Quartal ist verflogen: Die US-Börsen sind zuletzt durchmarschiert. Ein wirklich drastisches Beispiel: Auf Indexebene hat der S&P 500 Index seit dem Tief Anfang April bis jetzt um fast 37 Prozent zugelegt. Bei den Einzeltiteln hat Nvidia sogar eine Verdopplung geschafft – dem KI-Hype sei Dank.
Aber was hat es denn mit dem ominösen Buffett-Indikator auf sich? Im Grunde ist das ein ganz einfacher Zusammenhang: Der Marktwert der Börse wird hier ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt. Speziell für die USA – den mit Abstand wichtigsten Kapitalmarkt-Standort – gibt es eine lange Datenreihe.
USA mit historisch hohem Börsenwert - Europa deutlich niedriger
Der sogenannte Buffett‑Indikator zeigt derzeit für die USA ein historisch hohes Niveau von rund 220 Prozent. Im Vergleich dazu liegt etwa für Deutschland – als Stellvertreter für große Teile Europas – ein Wert von rund 55 bis 60 Prozent vor. Historisch gesehen lag der Indikator in den USA in früheren Jahrzehnten typischerweise deutlich unter 100 Prozent – Werte unter 70-80 Prozent galten laut Warren Buffett als günstig, Werte oberhalb von 150-200 Prozent als Warnsignal.
Für Privatanleger heißt das: In den USA spiegelt der hohe Wert eine starke Überbewertung des Gesamtmarkts wider – die Märkte sind gemessen am Wirtschaftsvolumen sehr groß und teuer geworden. In Europa hingegen erscheint das Verhältnis – zumindest in einigen Ländern – deutlich moderater, was Raum für langfristige Chancen bieten kann. Natürlich ersetzt dies keine Analyse von Unternehmensgewinnen oder wirtschaftlichen Fundamentaldaten, aber als Einstiegspunkt ist die Differenz beachtlich: Europas Indikator bietet eine vergleichsweise konservativere Ausgangslage als die US-Märkte, was langfristig attraktiv sein könnte. Was bedeutet das für die eigene Positionierung?
Regionale Streuung zahlt sich aus
Die USA sind historisch teuer bewertet – mit einem Buffett-Indikator von über 220 Prozent liegt der Markt deutlich über seinem langfristigen Mittel. Europa hingegen notiert mit rund 60 Prozent auf einem deutlich niedrigeren Niveau. Der Tipp: Wer sein Portfolio global aufstellt, kann Bewertungsunterschiede nutzen. Eine stärkere Gewichtung europäischer und ausgewählter Schwellenländeraktien erhöht die Renditechancen bei geringerem Bewertungsrisiko.
Bewertungsdisziplin statt Trendfolge
Hohe Marktwerte relativ zum BIP bedeuten, dass ein großer Teil des zukünftigen Wachstums bereits „eingepreist“ ist. In der Vergangenheit folgten auf überhitzte Phasen in den USA oft längere Perioden unterdurchschnittlicher Renditen. Der Tipp: Anleger sollten sich nicht von vergangenen Erfolgen der US-Börse blenden lassen. Märkte mit niedrigeren Indikatorwerten – also günstigerer Bewertung – haben statistisch höhere Ertragserwartungen über zehn bis zwanzig Jahre.
Geduld schlägt Panik
Ein hoher Buffett-Indikator signalisiert keine sofortige Korrektur, sondern ein erhöhtes Risiko künftiger Volatilität. Wer langfristig investiert, kann Schwächephasen nutzen. Der Tipp: Statt hektisch umzuschichten, lohnt es sich, schrittweise zu investieren (Cost-Average-Effekt) und Qualitätsaktien in günstigen Regionen nachzukaufen. So verwandelt man Marktzyklen in Renditequellen.
Damit gilt: Die aktuelle Bewertungslücke zwischen den USA und Europa erinnert an frühere Phasen, in denen Geduldige belohnt wurden. Für Langfristanleger gilt: Nicht dem lautesten Markt folgen, sondern dem günstigsten.


