Ashmore-Group-Analyst: Erdogans Politik droht, die türkische Wirtschaft endgültig in den Ruin zu treiben - Lira fällt weiter

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Letzten Samstag hat Präsident Recep Tayyip Erdogan den Chef der türkischen Notenbank entlassen. Die türkische Lira ist daraufhin vorübergehend gegenüber dem Euro um mehr als zwei Prozent eingebrochen und liegt auch am Mittwoch mit 0,42 Prozent im Minus. Analysten hatten die Reaktion vorhergesehen und gesagt, die Entscheidung vom Samstag habe Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank verstärkt.

Der bisherige Notenbankchef Murat Cetinkaya, der den Posten seit April 2016 innehatte, wurde durch seinen bisherigen Stellvertreter Murat Uysal ersetzt. Die Zeitung „Hürriyet“ berichtete am Sonntag, Erdogan habe nach der Entscheidung vor Abgeordneten seiner Regierungspartei AKP gesagt: „Wir haben ihm auf Wirtschaftstreffen immer wieder gesagt, dass er die Zinsen senken soll. Wir haben gesagt, wenn die Zinsen sinken, sinkt auch die Inflation. Er hat aber das Nötige nicht getan.“

Inflation ist gesunken, aber das Hat Erdogan nicht gereicht

Die Zentralbank hatte seit September den Leitzins bei 24 Prozent beibehalten, um der Inflation entgegenzuwirken. Die ist seit Oktober von rund 25 Prozent auf rund 15 Prozent gesunken. Erdogan ist entgegen der gängigen Wirtschaftslehre allerdings gegen hohe Zinsen und hatte immer wieder verlangt, sie zu senken.

Die Verunsicherung der Märkte und Investoren kommt für die türkische Wirtschaft zur Unzeit. Ein Waffendeal mit Russland hat einen scharfen Konflikt mit den USA ausgelöst. Die Türkei hat von Russland das Raketenabwehrsystem S-400 gekauft, dass die USA für ein Sicherheitsrisiko für den Nato-Raum halten. Die ersten Lieferungen sollen schon diese Woche in der Türkei ankommen. Die USA drohen nun mit Sanktionen. Bei einem anderen Konflikt mit den USA im vergangenen Jahr hatten US-Sanktionen die Lira schwer einbrechen lassen.

Der neue Chef der Notenbank hatte am Wochenende versichert, die Bank bleibe unabhängig. Uysal war seit 2016 Stellvertreter an der Spitze der Bank. Eine Pressekonferenz sei „in den kommenden Tagen“ geplant.

Erdogans Vorgehen könnte die türkische Wirtschaft komplett abstürzen lassen

Jan Dehn, ein Analyst des Vermögensverwalters und Schwellenländer-Spezialisten Ashmore Group, sieht in der Vorgehensweise des Präsidenten gar die Gefahr des baldigen Ruins der türkischen Wirtschaft, wie er gegenüber der US-Nachrichtenagentur Bloomberg sagt. Er zieht dabei Parallelen zu den Entwicklungen in Venezuela, dessen Wirtschaft unter den populistischen Bedingungen ebenfalls eingebrochen ist.

Die Türkei sei zwar diversifizierter als Venezuelas ölabhängige Wirtschaft, befinde sich jedoch derzeit auf einem sehr ähnlichen Weg politischer Fehltritte, die wahrscheinlich zum Ruin führen würden, sagt Dehn. Kapitalkontrollen, Verstaatlichung und andere Maßnahmen, die verhindern sollen, dass der Privatsektor sein Eigentum schützt, wenn sich das makroökonomische Umfeld verschlechtert, seien die nächsten „logischen Schritte“, die in der Türkei folgen werden. „Das Problem ist, dass die Rückkehr zu einer guten Politik im Vorfeld sehr hohe politische Kosten mit sich bringt. Je länger er sich verspätet, desto höher sind die Kosten, weshalb Politiker, die den heterodoxen Weg beschreiten, selten die Richtung wechseln und fast immer in einer Krise enden.“

Anstatt die Ursachen des zugrunde liegenden Wirtschaftsproblems zu beheben, würde die Regierung aus Sicht des Analysten beschließen, die Symptome des Problems wie Inflation, langsameres Wachstum, schwächere Währung und verlangsamte Investitionen in Angriff zu nehmen.

(onvista/dpa-AFX)

Titelfoto: Sasa Dzambic Photography / Shutterstock.com

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