Astrazeneca wirft ein Auge auf Gilead – bahnt sich die größte Fusion in der Geschichte der Pharma-Branche an?

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Mitten in der weltweiten Corona-Pandemie könnte sich der bisher größte Übernahmedeal in der Pharmabranche anbahnen. Einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge würde der britische Konzern Astrazeneca gerne mit dem US-Konkurrenten Gilead zusammengehen. Die Briten seien im Mai an die Amerikaner herangetreten, berichtete die Agentur am Sonntag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Beide Unternehmen spielen bei der Suche nach einem Medikament oder einen Impfstoff gegen Covid-19 eine wichtige Rolle.

Allerdings sei der US-Konzern, der in den vergangenen Monaten wegen des Medikaments Remdesivir, das möglicherweise gegen Covid-19 eingesetzt werden kann, derzeit nicht an einer Fusion mit einem anderen großen Konzern interessiert. Gilead setze derzeit weiter auf Partnerschaften oder den Zukauf von kleineren Unternehmen. Der Vorstoß von Astrazeneca sei aber mit Beratern besprochen worden, hieß es in dem Bericht. Es gebe derzeit noch keine Entscheidung, wie Gilead in der Sache weiter verfahren wolle.

Formelle Gespräche gebe es derzeit nicht. Ein Sprecher von Astrazeneca habe die Informationen nicht kommentieren wollen, hieß es in dem Bericht weiter. Bei Gilead sei bisher niemand zu erreichen gewesen. In dem Bericht wurden keine Details genannt, wie die Transaktion im Detail aussehen könnte.

Impfstoff-Ergebnisse im September

Astrazeneca rechnet bis September mit Ergebnissen zur Wirksamkeit des eigenen in der Entwicklung befindlichen Impfstoffs. Dann dürfte man wissen, ob dieser wirksam sei oder nicht, hatte Konzernchef Pascal Soriot in dieser Woche der BBC gesagt.

Der künftige Einsatz von Remdesivir ist ungewiss. Zwar werden fast täglich Neuigkeiten zu dem ursprünglich als Malariamittel entwickelten Medikament veröffentlicht, dass bisher in keinem Land der Welt zugelassen ist. Diese beziehen sich auch auf Erfahrungen mit der Verabreichung von Remdesivir im klinischen Einsatz zum Beispiel in den USA und in Deutschland.

Auch wurden bereits mehrere Studien in Fachzeitschriften veröffentlicht, die allerdings teilweise zurückgezogen wurden. Aber unter dem Strich hat sich bislang kein klares Bild herauskristallisiert, ob die Hoffnungen auf ein Mittel zur Behandlung schwerer Coronavirus-Infektionen berechtigt sind oder nicht.

Gilead ist profitabler, doch Astrazeneca hat das höhere Gewicht

Astrazeneca erzielte 2019 einen Umsatz von 24 Milliarden Dollar und verdiente dabei 1,2 Milliarden Dollar. Der 1987 gegründete US-Konzern kam im vergangenen Jahr auf einen Erlös von 22 Milliarden Dollar sowie einen Gewinn von 5,4 Milliarden Dollar.

Bei den Investoren stehen die Briten derzeit aber deutlich höher im Kurs als die Amerikaner. Der britische Pharmakonzern ist nach dem Höhenflug der Aktie in den vergangenen Jahren, der sich in den vergangenen Wochen wegen der Hoffnung auf die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs fortsetzte, an der Börse umgerechnet 140 Milliarden Dollar wert. Gilead profitierte zuletzt von der Remdesivir-Hoffnung und konnte so die Talfahrt der Aktie in den vergangenen Jahren stoppen und kommt derzeit auf eine Marktkapitalisierung von 96 Milliarden Dollar.

Aktien dank Corona-Forschung im Höhenrausch

Sowohl die Aktie von Astrazeneca als auch die von Gilead haben im Zuge des Ausbruchs von Corona enorme Kursschübe erfahren, da beide direkt in die Suche nach einem Impfstoff involviert sind.

Auf lange Sicht weist Astrazeneca jedoch die bessere Wachstumsgeschichte auf, Gilead schaut seinen Höchstkursen von über 100 Euro aus dem Jahr 2015 noch hinterher. Das liegt unter anderem an dem Verlust einiger lukrativer Produkte, deren Patente mittlerweile ausgelaufen sind und nun im Wettbewerb mit der restlichen Branche stehen.

Das Investmenthaus Bryan Garnier hat Astrazeneca auf „Buy“ mit einem Kursziel von 9100 Pence belassen, zugleich aber von seiner „Top Pick“-Liste gestrichen. Die Gerüchte über die Fusionsbemühungen mit dem US-Biotechunternehmen Gilead Sciences erschienen auf den ersten Blick wirklichkeitsfremd, seien angesichts der Quelle wohl aber wahr, schrieb Analyst Eric Le Berrigaud die Aktie in einer am Montag vorliegenden Studie.

Die Unternehmen hätten kaum Überschneidungspunkte. Es gäbe bei einem Zusammenschluss also kaum Synergien. Besonders besorgniserregend sei aber, dass das Gerücht vermuten lasse, AstraZeneca verfüge nicht über alles Nötige für eine brillante Zukunft, die nahezu jeder für das Unternehmen erwarte.

Daher notieren die Papiere von AstraZeneca heute auch mit 2,2 Prozent im Minus, während die von Gilead vorbörslich gut 3 Prozent im Plus notieren.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: PopTika / Shutterstock.com

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