Biden will Billionen in Corona-Krise lockermachen - "Müssen jetzt handeln"

Reuters · Uhr

- von Jeff Mason und Reinhard Becker

Washington/Berlin (Reuters) - Der künftige US-Präsident Joe Biden schnürt ein billionenschweres Hilfspaket zur Bewältigung der Corona-Krise.

Inmitten der spannungsgeladenen Zeit nach dem Sturm auf das Kapitol wandte sich der Demokrat in einer Fernsehansprache an die Nation, um für sein 1,9 Billionen Dollar schweres Programm zu werben. Ein Großteil davon ist für Hilfen an das Millionen-Heer von US-Bürgern vorgesehen, die in der Krise ihren Job verloren. "Wir müssen handeln, und wir müssen jetzt handeln", betonte Biden am Donnerstag. "Die Gesundheit unserer Nation steht auf dem Spiel", fügte der Demokrat hinzu, der nächste Woche die Nachfolge von Donald Trump antritt. Ökonomen erwarten, dass das Mega-Projekt der gebeutelten US-Wirtschaft Schubkraft verleihen kann - auch wenn nicht alle Gelder vom Kongress genehmigt werden dürften und Fragen zur Finanzierung offenbleiben.

"Vor nicht einmal drei Wochen wurde ein 900 Milliarden US-Dollar schweres Konjunkturpaket im Kampf gegen die Corona-Krise in den USA auf den Weg gebracht. Nun wollen die Demokraten noch einmal 1,9 Billionen US-Dollar oben draufsetzen", konstatierte Chefanalyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Biden gibt noch mehr Gas", so die Einschätzung des US-Experten Bernd Weidensteiner von der Commerzbank. Der künftige Präsident plane ein wahres "Feuerwerk an Ausgaben", das rund neun Prozent der Wirtschaftsleistung der USA entspreche. Dies könne für einen Wachstumsschub sorgen, womit die US-Konjunktur 2021 um bis zu fünf Prozent zulegen dürfte. US-Notenbankchef Jerome Powell hatte die Amerikaner jüngst auf einen "langen Weg" zur Vollbeschäftigung eingestimmt, selbst wenn mit dem Abklingen der Pandemie ab Sommer ein Aufschwung einsetzen sollte.

BESCHRÄNKTE AUSSICHT AUF ERFOLG

In der Corona-Krise gingen in den USA mehr als 22 Millionen Jobs verloren, von denen bislang nur gut zwölf Millionen zurückgewonnen wurden. Da in den USA kein staatliches soziales Auffangnetz wie in Europa existiert, setzt Bidens Plan hier an: unter anderem mit Direkthilfen an die US-Bürger von jeweils 1400 Dollar, wie Bidens Mitarbeiter auf einer Telefonkonferenz mit Journalisten erläuterten. Verlängert werden soll zudem die zusätzliche Arbeitslosenunterstützung - und zwar bis September. Die Zahlung soll zudem von bislang 300 auf 400 Dollar pro Woche angehoben werden. Insgesamt sind etwa eine Billion Dollar an direkten Hilfen für private Haushalte vorgesehen.

Weitere 415 Milliarden Dollar sollen für den Kampf gegen das Virus und für die Impfkampagne mobilisiert werden. 440 Milliarden Dollar sollen an kleinere Unternehmen und Kommunen fließen, die besonders von der Pandemie betroffen sind.

Die erweiterten Zahlungen für Arbeitslose und die Erhöhung des Mindestlohnes dürften mit einfacher Mehrheit im US-Kongress machbar sein, sagte VP Bank-Ökonom Thomas Gitzel. Nicht so einfach dürfte es demnach bei Hilfen auf lokaler Ebene oder auch auf Ebene der Bundesstaaten werden, da dafür 60 Senatsstimmen erforderlich seien. Bidens Demokraten stellen jedoch nur 50 Sitze, wobei die künftige US-Vizepräsidentin Kamala Harris bei einem Patt die entscheidende Stimme abgeben darf. "Die nur mangelnde Aussicht auf Erfolg dürfte auch der Grund sein, warum man die Pläne von Joe Biden an den Finanzmärkten nüchtern aufnimmt", so das Fazit von Bankenökonom Gitzel.

"WIE SOLL DAS BEZAHLT WERDEN?"

Neben diesen Klippen für Bidens Programm seien mit dem Vorhaben auch Fragen zu künftigen Steuern verbunden, sagte Tim Ghriskey, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Inverness Counsel. "Geld auszugeben ist einfach, aber wie soll das bezahlt werden?" Anleger ignorierten zwar oft die Politik, selten aber die Steuerpolitik.

Erst Ende vorigen Jahres hatte der Kongress nach langem Hin und Her das 900 Milliarden Dollar schwere Hilfspaket auf den Weg gebracht, das Präsident Trump erst nach längerem Zögern unterzeichnete. Dieser muss sich als erster Staatschef der US-Geschichte einem zweiten Amtsenthebungsverfahren stellen. Das Repräsentantenhaus stimmte am Mittwoch für eine Anklage gegen den Republikaner im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol vergangene Woche. Über die eigentliche Amtsenthebung muss nun der Senat entscheiden, was frühestens kommende Woche passieren dürfte.

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