Börse Frankfurt-News: "Die zweite Welle kommt .doch was richtet sie an?"

dpa-AFX · Uhr

FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters warnt vor unspezifischen Maßnahmen im Fall einer zweiten Welle und deren Auswirkung auf Wirtschaft und Kapitalmärkte.

10. August 2020. FRANKFURT (pfp Advisory). Wie es aussieht, war den 83 Millionen Einwohnern dieses Landes, die seit dem Frühjahr alle nicht nur Hobby-Bundestrainer, sondern nun auch Hobby-Epidemiologen sind, keine echte Verschnaufpause vergönnt. Kaum war die Anzahl der aktive Covid-19-Infektionen auf einem solch niedrigen Niveau angekommen, dass selbst die Hardliner in Talkshows die Lage als beherrschbar einstufen mussten, ziehen die Infektionszahlen wieder recht kontinuierlich und spürbar an. Bei der Betrachtung beispielsweise der momentan aktiven Fälle gemäß offizieller RKI-Daten liegen wir mit aktuell ca. 10.000 Infizierten zweifelsohne noch weit unter den Werten vom Frühjahr, aber immerhin schon etwa doppelt so hoch wie zu den Verlaufs-Tiefs im Juli.

Erleben wir bereits die zweite Welle? Stehen wir am Anfang? Oder ist alles nur aufgebauscht, weil deutlich mehr als vor einigen Monaten getestet wird? Ich finde Spekulationen und Interpretationen hier zumeist gewagt, insbesondere als Laie. Ich hab aber das Gefühl, dass ohne einen Joker wie einen effizienten Impfstoff eine Ausrottung der Seuche eh sehr unwahrscheinlich ist und dass es somit fast schon zwangsläufig zu wellenförmigen Bewegungen kommt. Ein Phänomen, was aus der Laiensicht (um das noch mal zu unterstreichen) irgendwie in allen Ländern zu beobachten ist.

Konsequenzen kommen erst später zum Vorschein

Mehr noch als die Seuche selbst, vor der ich persönlich keine Panik, aber durchaus viel Respekt habe, treibt mich die Frage um, wie die Politik mit einer Erhöhung der Infektionszahlen umgehen wird. Hier wurde, jetzt mal völlig losgelöst von der im Nachhinein fas schon müßigen Frage, was denn medizinisch geboten war, bereits ein veritabler Schaden angerichtet und alleine in Deutschland eine Vielzahl von Existenzen wirtschaftlich zerstört. Und auch wenn es zu keinem neuerlichen Shut-Down in der Form kommt, wie wir ihn im Frühjahr gesehen haben, werden viele Konsequenzen aus dieser Vollbremsung erst nach und nach wirksam und ersichtlich. Gerade im Mittelstand werden viele durch die Maßnahmen stark geschädigten Betriebe nur noch künstlich am Leben erhalten, um es in medizinischer Sprache zu umschreiben. Deren Exitus wird eher über kurz als über lang folgen, was etwa bei Kreditgebern neue Probleme mit sich bringen wird.

Und was wäre nun, wenn die Lenker in der Politik ein weiteres Mal zum Entschluss kommen, dass es nötig sei, eine umfangreiche Kontaktsperre zu verhängen, die in zahllosen Firmen als Konsequenz den Betrieb stilllegt? Man mag es sich nicht ausdenken. Es würden weit mehr insbesondere mittelständische Unternehmen aus der Bahn fliegen, als es volkswirtschaftlich verkraftbar wäre. Schon das jetzige und irreversible Ausmaß dürfte die Erwartung der Politik übertroffen haben. Aus heutiger Sicht sind die vollmundigen Aussagen der beiden Minister Olaf Scholz und Peter Altmaier aus dem März ("Kein Arbeitsplatz muss wegen Corona verloren gehen") ja wohl nur so zu deuten, dass - wenn nicht bewusst die Unwahrheit gesagt wurde - (was ich nicht unterstellen mag), die Situation in ihrer Tragweite massiv unterschätzt wurde.

Wir müssen noch lange mit der Pandemie leben

Ein knappes halbes Jahr später hab ich den Eindruck, dass die Politik durchaus an Erkenntnis gewonnen hat, dass der Preis einer massiven und undifferenzierten Seuchenbekämpfung ausgesprochen hoch ist. Die nun angedrohten Maßnahmen sind deutlich differenzierter, gehen sehr stark auf einzelne Betriebe, Wohnanlagen und Regionen, was ja vernünftig ist. Ich habe übrigens ganz bewusst das Wort "angedroht" gewählt, weil ich den Eindruck gewonnen habe, dass bewusst mit Abschreckung gearbeitet wird, um auf das Verhalten der Menschen Einfluss zu nehmen. Dies ist erstrebenswert, wird aber auch bei vielen Menschen nicht verfangen, wie ebenfalls bereits recht deutlich zu beobachten ist.

Was steht uns nun in der Pandemie, und daran abgeleitet in der Wirtschaft und noch mal abgeleitet an den Kapitalmärkten bevor? Ich glaube, der realistische Anspruch ist der, dass wir (noch lange) mit der Pandemie leben müssen und übrigens auch können. Der Anspruch an unsere Volksvertreter muss sein, die Seuche immer mehr chirurgisch im Sinne von präzise und nicht mit der Schrotflinte zu bekämpfen und auch moderne Methoden wie "Tracking und Tracing" effizient einzusetzen. Gelingt dies und wird der Erfolg dieser Maßnahmen auch ebenso öffentlich gemacht wie momentan viele (berechtigte) Sorgen, dann stehen die Chancen gar nicht so schlecht, dass etwas mehr Zuversicht in die Gemüter kehrt, was für den nötigen wirtschaftlichen Aufschwung, der noch in den Anfängen steckt, durchaus nötig wäre. Auf dem Parkett hingegen sind wir nicht mehr in den Anfängen der Erholung. Entsprechend sollten wir gerade vor dem saisonalen Hintergrund Rückschläge einkalkulieren, übrigens nicht nur, aber auch durch Corona-Meldungen getriggert.

von Roger Peeters, 10. August 2020, © pfp Advisory

Roger Peeters ist geschäftsführender Gesellschafter der pfp Advisory GmbH. Gemeinsam mit seinem Partner Christoph Frank steuert der seit über 20 Jahren am deutschen Aktienmarkt aktive Experte den DWS Concept Platow Fonds ( WKN DWSK62 ), einen 2006 aufgelegten und mehrfach ausgezeichneten Stock-Picking-Fonds. Weitere Infos unter www.pfp-advisory.de. Peeters ist weiterhin Mitglied des Vorstands der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management (DVFA) e.V.. Roger Peeters schreibt regelmäßig für die Börse Frankfurt

(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)

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