Bundesrichter kontra Justizministerin - Streit um Führungspositionen

dpa-AFX · Uhr

MÜNCHEN/BERLIN (dpa-AFX) - An den Bundesgerichten gibt es Widerstand gegen die Pläne von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) für die Besetzung höchstrichterlicher Führungspositionen. Auslöser ist ein Streit um die Neubesetzung des Präsidiums am Bundesfinanzhof (BFH) in München. Der Richterverein am BFH wirft der SPD-Politikerin vor, die fachliche Qualifikation zu vernachlässigen und die Funktionsfähigkeit der Rechtsprechung zu gefährden. Lambrecht weist das zurück.

Die Präsidenten der Bundesgerichte machen nun in einer gemeinsamen Stellungnahme deutlich, dass sie auf fachliche Eignung keinesfalls verzichten wollen.

"Bundesrichterliche Erfahrung über einen längeren Zeitraum hinweg ist unverzichtbare Voraussetzung, um von einer Eignung und Befähigung für eine Beförderungsstelle an einem Bundesgericht ausgehen zu können", erklärte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe auf Anfrage und in Abstimmung mit den anderen Bundesgerichten. Zum Einfluss der Parteipolitik äußern sich die Präsidenten in ihrer Stellungnahme nicht, doch darum geht es faktisch.

Am kommenden Freitag will Lambrecht das Thema mit den Präsidentinnen und Präsidenten besprechen. Bisher sieht das 2016 mit den Bundesgerichten vereinbarte "Anforderungsprofil" vor, dass Vorsitzende Richter vor der Ernennung in der Regel mehrere Jahre am jeweiligen Bundesgericht tätig gewesen sein sollen. "Diese Vereinbarung besagt aber nur, dass das in der Regel so ist", verteidigt sich Lambrecht. "Und immer dann, wenn der Jurist von "in der Regel" spricht, gibt es auch Ausnahmen." Sie argumentiert, relevant seien etwa auch Erfahrungen in Personalführung.

Dem Vernehmen nach sollen ein CDU-naher Beamter des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums und eine frühere SPD-Staatssekretärin aus dem Saarland die Leitung des BFH als Präsident und Vizepräsidentin übernehmen. Beide wurden jüngst als Richter an den Bundesfinanzhof gewählt.

Aus Sicht des Richtervereins am BFH gebe es "keinen Anlass, bei der Besetzung dieser Stellen auf die vorherige Bewährung als Revisionsrichter zu verzichten", kritisiert Matthias Loose, der Vizevorsitzende des Vereins. "Ansonsten wäre die Funktionsfähigkeit und das Ansehen des Gerichts gefährdet."/cho/DP/zb

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