Daimler: Die Erholung nach dem schweren zweiten Quartal ist fast schon märchenhaft – So schätzen Analysten die Aktie jetzt ein

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Bei all den schlechten Nachrichten, die Daimler seit dem Amtsantritt von Vorstandschef Ola Källenius verdauen musste, sieht die Erholung des schwäbischen Traditionskonzerns nach dem coronageplagten zweiten Quartal nahezu märchenhaft aus. Die Stuttgarter haben schon einen Blick in die Bücher gewährt – und im dritten Quartal mehr operativen Gewinn eingefahren als im Vorjahreszeitraum. Doch nach Ansicht von Källenius bleibt viel zu tun. Was das Unternehmen umtreibt, was Analysten sagen und wie die Aktie dasteht.

So ist die Lage des Unternehmens

Immerhin klärt sich auch für die Autobranche insgesamt mit den vorläufigen Daimler-Zahlen zum dritten Quartal der Himmel etwas auf. Rund 3,1 Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern fuhren die Stuttgarter ein nach 2,7 Milliarden vor einem Jahr. Auch um Sondereffekte bereinigt blieb diesmal (3,5 Milliarden) spürbar mehr als vor einem Jahr übrig (3,1 Milliarden).

Treiber der besseren Lage waren im dritten Jahresviertel eine deutlich schnellere Erholung des Marktes vor allem in China und Effizienzsteigerungen. Das Management will Ende der Woche (23. Oktober) zur Vorlage der detaillierten Zahlen nun die Jahresprognose des Konzerns konkretisieren.

Diese lautet aktuell lediglich, dass Absatz, Umsatz und operatives Ergebnis wegen der Corona-Pandemie deutlich unter den Vorjahreswerten liegen dürften. Offen sind auch noch Angaben zum Umsatz und zur operativen Rendite der Geschäfte im dritten Quartal – Finanzchef Harald Wilhelm hatte sich zur Margenentwicklung im abgelaufenen Quartal aber bereits „glücklich“ gezeigt.

Källenius hat seit Amtsantritt einige Gewinnwarnungen herausgegeben, unter anderem wegen milliardenschwerer Diesel-Altlasten, aber auch wegen Produktionsproblemen. In diesem Jahr sorgte dann noch die Covid-Krise für eine Zäsur in der Autoindustrie. Doch der Schwede hatte sich auch vorher schon ein Mammutprojekt vorgenommen: Die chronisch hohen Kosten beim Weltmarktführer von Premiumautos und schweren Lkw zu senken, auch um den nötigen Umbau zu elektrischen Antrieben zu meistern.

Ohne Blessuren wird das nicht gehen. Wie viele der 300.000 Stellen im Konzern wegfallen sollen, das lässt Källenius bewusst offen, ihm geht es darum, dass die Einsparungen hoch genug sind. Doch es ist klar, dass es mehr als 15 000 Jobs sind, die auf dem Spiel stehen. In Medienberichten ist sogar von 20.000 bis 30.000 Stellen die Rede. Ziel von Källenius ist, die Fixkosten bei Mercedes-Benz durch Kapazitätsreduktion und Personalabbau bis 2025 um mehr als 20 Prozent zu senken gegenüber 2019.

Der Manager schraubt zudem weiter an der Strategie, will den Fokus komplett auf Elektroautos und zudem stärker auf Luxus und die jeweils oberen Enden der Segmente lenken, wo mehr Geld pro Auto zu verdienen ist. Es soll Ende kommenden Jahres Elektroautos in jedem Segment geben, wozu der Autobauer auch eine eigene Elektroplattform ins Leben ruft. Von neuen Modellen wird künftig nach Maßgabe des Schweden zuerst eine Elektroversion entwickelt, der Verbrenner muss sich hinten anstellen. So will Daimler bei sportlichen Luxusautos auch Rückstand gegenüber dem US-Elektropionier Tesla aufholen.

Fast nebenbei konnte Daimler im vergangenen Quartal einen bis dahin immer noch drohenden großen Zusammenstoß mit den US-Behörden wegen der Dieselaffäre aus dem Weg räumen. Mit einer Zahlung von umgerechnet 1,9 Milliarden Euro legte Daimler Ermittlungsverfahren und zahlreiche Klagen von Autobesitzern bei. Daimler und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250.000 Dieselwagen vorgeworfen.

Ob die in den Fahrzeugen verwendeten Funktionen „defeat devices“ sind, also eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung, werde in dem Vergleich aber nicht festgestellt, betonte Daimler. Seit 2016 ist das Unternehmen wegen angeblich frisierter Messwerte zum Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid im Visier der US-Justiz. Gezielte Manipulationen der Abgastechnik mit einer Software, wie sie jahrelang bei Volkswagen zum Einsatz kam, hatte der Konzern stets zurückgewiesen.

Ganz abhaken kann Daimler das Thema allerdings noch nicht. Die Vergleiche müssen in den USA noch gerichtlich genehmigt werden und beenden nur Zivilverfahren, so dass weitere strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen sind.

Ob sich Daimler angesichts der anstehenden Arbeit noch viel länger mit Verlusten im Mobilitäts-Gemeinschaftsunternehmen mit BMW herumschlagen will, scheint immer fraglicher. Jüngst kochte das Thema in den Medien wieder hoch, einzelne Teile des Joint Ventures haben demnach das Interesse auf sich gezogen. Uber soll laut „Manager-Magazin“ über eine Milliarde Euro für den Fahrtenvermittler Free Now geboten haben. Auch die Parkplatz-App Park Now könnte vor einem Verkauf stehen.

So sehen die Analysten die Aktie

Die Expertenschar traut dem Konzern bei der Neuaufstellung einiges zu. Zehn der im dpa-AFX-Analyser erfassten Personen, die sich in diesem Jahr zur Aktie geäußert haben, empfehlen den Kauf des Papiers. Sechs raten zum Halten, lediglich zwei zum Verkauf. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp unter 50 Euro und damit nur leicht höher als der aktuelle Kurs.

Die Vorabzahlen des Autobauers zum dritten Quartal seien deutlich besser als erwartet ausgefallen, schrieb Patrick Hummel von UBS. Die Konsensschätzungen für den Gewinn je Aktie in diesem Jahr könnten sich – wenn auch von einer sehr niedrigen Basis aus – mehr als verdoppeln. Ähnlich äußerte sich Marc-Rene Tonn von Warburg Research. Laut George Galliers von Goldman Sachs haben sämtliche Sparten des Konzerns deutlich besser als erwartet abgeschnitten.

Jose Asumendi von JPMorgan schrieb, die Autosparte dürfte wohl von der Preismacht des Unternehmens, einem starken Produktmix und Einsparungen in dreistelliger Millionenhöhe profitiert haben. Die Zahlen seien insgesamt auch ein positives Signal für die Branche. Die anderen deutschen Autobauer und Zulieferer könnten daher auch positiv mit ihren Zahlen überraschen.

Jefferies-Analyst Philippe Houchois verwies als positive Überraschung vor allem auf den Free Cash Flow. Daimler hatte hier im Industriegeschäft 5,1 Milliarden Euro Zufluss ausgewiesen, während Analysten laut dem Konzern im Mittel mit 2 Milliarden weniger gerechnet hatten.

So läuft die Aktie

Die Daimler-Anteile haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten deutlich von den Verlusten des Corona-Crashs im Frühjahr erholt. Seit dem Jahrestief von etwas mehr als 21 Euro Mitte März ging es inzwischen um rund 130 Prozent nach oben. Die Erholung fiel damit deutlich besser aus als zum Beispiel bei den Anteilen des Erzrivalen BMW oder auch bei den VW-Aktien.

Mit dem rasanten Anstieg hat das Papier inzwischen fast die gesamten Jahresverluste aufgeholt. Aktuell liegen sie nur noch mit rund einem Prozent im Minus. Zum Vergleich: BMW-Anteile haben seit Ende 2019 rund zwölf Prozent verloren und die VW-Vorzugsaktien rund ein Fünftel.

Doch mittelfristig sieht es ganz anders aus, auch wenn der Kurs inzwischen wieder fast auf dem Niveau liegt, dass es beim Amtsantritt von Källenius im Mai 2019 innehatte. Seit dem Rekordhoch von 96 Euro im Frühjahr 2015 ging es um rund die Hälfte nach unten. Mehr haben in dem Zeitraum nur wenige deutsche Standardwerte verloren.

Aber auch bei den Kursen der anderen deutschen Autohersteller spiegelt sich die Branchen- und Identitätskrise wieder. Die Anteile von BMW und VW verloren seit dem Frühjahr 2015 fast ebenso viel – ganz anders als die Papiere des US-Elektroautoherstellers Tesla. Dessen Aktienkurs stieg in diesem Zeitraum um fast 1000 Prozent.

Das von Elon Musk geführte und kontrollierte Unternehmen ist an der Börse inzwischen umgerechnet rund 333 Milliarden Euro wert und damit rund doppelt so viel wie die drei deutschen Hersteller zusammen. Unter diesen führt VW die Rangliste mit 71 Milliarden Euro an. Daimler liegt mit 51 Milliarden Euro auf Rang zwei und damit inzwischen wieder deutlich vor BMW (41 Mrd).

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: Taina Sohlman / Shutterstock.com

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