Das Depot urlaubsfest machen? Oh je!

Jessica Schwarzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Ein Crash während der Ferien? Mit solchen Horrorszenarien werden Anleger verrückt gemacht und aufgefordert, ihre Depots abzusichern. Blödsinn.

Das Portfolio krisenfest oder urlaubsfest machen, es für den Urlaub wappnen oder es schützen – kaum naht die Ferienzeit, überschlagen sich Journalisten und mehr oder minder renommierte Experten mit klugen Tipps. Ihre Botschaft ist immer dieselbe: Wer entspannt in den Urlaub fahren will, sollte auf jeden Fall sein Depot absichern. Ganz klar: Auf keinen Fall sollten Anleger ihr Portfolio ungeschützt den Irrungen und Wirrungen der Kapitalmärkte aussetzen, während sie sich am Meer oder in den Bergen erholen. Das ist viel zu gefährlich! Bevor die Koffer gepackt werden, heißt es also: Stop-Loss-Kurse setzen, Optionen kaufen oder ähnliches. So weit die klugen Ratschläge und Anweisungen.

Schutz fürs Depot während der Ferienzeit? Was für ein Unsinn! Natürlich kann es durchaus sinnvoll sein, das eigene Depot vor Kursrücksetzern zu schützen. Aber warum denn bitte nur während der Urlaubszeit? Weil nur in den Ferien Crashs drohen? Zugegeben, das Handelsvolumen ist in den Sommermonaten oft geringer (aber nicht immer), was zu stärken Kursausschlägen führen kann, aber nicht muss. Aber es kracht auch gerne mal im Oktober oder im Frühjahr an den Börsen. Nun gut, da hätten wir Herbstferien und Osterferien zu bieten… Aber das ist nicht der Grund für eine schmerzhafte Korrektur oder einen heftigen Crash. Der Urlaub sollte deshalb auch nicht der Grund sein, warum Anleger ihr Depot absichern.

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Verstehen Sie mich nicht falsch: Nichts gegen Absicherung. Je nach Strategie, Investmentvehikeln und Anlagehorizont ist es sogar zwingend erforderlich, zumindest aber sehr ratsam, ein Sicherheitsnetz zu spannen. Aber wie sieht es bei sehr langfristig orientierten Anlegern aus, die eher eine „Buy and Hold“-Strategie fahren? Brauchen sie eine Absicherung? Geschmacksache und eben Teil der Strategie. Mit einem nahenden Urlaub sollte diese Entscheidung aber nichts zu tun haben und erst recht sollte die Absicherung nicht auf die Ferienzeit beschränkt sein. Schwächelnde Fundamentaldaten, Krisenherde oder Handelskriege, die zu eskalieren drohen – all das sind gute Gründe, auf Nummer sicher zu gehen. Aber bitte nicht der Blick auf den Kalender, die Dokumente vom Reisebüro oder den Urlaubsantrag.

Stop-Loss-Kurse automatisieren den Herdentrieb

Mit Stop-Loss-Kursen ist das sowieso so eine Sache. Privatanleger sollen dazu neigen, sie häufig viel zu eng zu setzen. Ein Kursrücksetzer von fünf oder zehn Prozent schmeißt sie dann aus dem Markt. Oft folgt auf solche Rücksetzer aber die schnelle Erholung, der urlaubende Investor ist dann nicht mehr dabei. Schwierig. Natürlich sind Kursschwankungen an den Märkten nie auszuschließen. Und niemand möchte nach dem Urlaub eine böse Überraschung erleben.

Aber Anleger müssen auch ehrlich zu sich selbst sein: Reagieren sie auf solche Rücksetzer nicht sowieso meistens falsch, wenn sie diese denn miterleben? Gerade Privatanleger lassen sich von vermutlicher Angst und Panik mitreißen und verkaufen mitten in die Abwärtsbewegung hinein. Mit Stop-Loss-Kursen automatisieren sie das auch noch. Sie automatisieren den Herdentrieb. Oft ist es aber viel ratsamer, die Turbulenzen auszusitzen.

Aktuell gibt es natürlich einige Risiken im Markt. Wer weiß, wie sich der Handelskrieg zwischen den USA und China, der Iran-Konflikt, der Brexit oder Italiens Haushaltsmisere weiter entwickeln. Ob sich Anleger gegen dieses Risiko explizit absichern möchten, hängt von der jeweiligen Risikoneigung ab. Wer sich im Urlaub wohler damit fühlt, geringere Risiken im Depot zu haben, kann natürlich darüber nachdenken, Stop-Loss-Kurse zu setzen oder entsprechende Optionen zu kaufen. Aber Anleger sollten sich sehr bewusst sein, was sie da gegebenenfalls tun und riskieren. Und: Eine Absicherung kostet, im Zweifelsfall vor allem Rendite. Bei einem solide diversifizierten Depot zum langfristigen Vermögensaufbau sind zwischenzeitliche Absicherungen auch eher überflüssig.

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