Der unbemerkte „Whatever it takes“-Moment der Federal Reserve

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Nach einem katastrophalen Dezember für die Aktienmärkte (es war offenbar der schlimmste Dezember im S&P 500 seit dem Jahr 1931) folgte der beste Januar seit einigen Jahrzehnten. Den Grund für Letzteres finden wir bei der Fed - der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve.

Im Jahr 2018 erhöhte diese taktweise die Zinsen weiter und startete Mitte des Jahres die Rückabwicklung des jahrelangen Gelddruckprogramms, auch Quantitative Tightening genannt. Noch bis Weihnachten klang es nicht so, als ob man Letzteres überdenken würde, stattdessen sollte der Abbau der Notenbankbilanz im Autopilot weiter fortgeführt werden.

Im Januar änderte Jay Powell, der Vorsitzende der Fed, dann seine Meinung dazu. Er sprach davon, eine geduldige Politik fahren zu wollen. Mit weiteren Zinserhöhungen müsse man 2019 nicht mehr rechnen. Im Gegenteil, sollte sich die Wirtschaft nicht wie gewünscht entwickeln, könnten sogar wieder Zinssenkungen ins Spiel kommen. Und der Stopp des Quantitative-Tightening-Programms. Das hat die Märkte offensichtlich sehr begeistert.

Das macht auch Sinn, denn bis vor ein bis zwei Monaten hat Jay Powell noch nicht den Eindruck gemacht, dass er ähnlich locker (was die geldpolitische Einstellung betrifft) drauf ist wie seine drei Vorgänger Janet Yellen, Ben Bernanke und Alan Greenspan. Womöglich hatten die Märkte Angst davor, dass der Fed-Put eine Pause mache. Dass diese Angst unbegründet war, hat Jay Powell im Januar eindrucksvoll bewiesen.

Wenn hier ein leicht hämischer Unterton mitschwingt, dann ist das kein Zufall. Ich bin kein Freund der sehr lockeren Geldpolitik der letzten Jahre. Dass die Zentralbanken meine Meinung jedoch nicht interessiert, stellte Mary Daly, die Präsidentin der regionalen Notenbank San Francisco Fed, vergangene Woche laut Reuters mit folgenden Worten klar:

Man könnte sich vorstellen, dass die Zinsen das primäre Werkzeug für die Ausführung der (Geld-) Politik sind und die Bilanz ein sekundäres Werkzeug - aber eines, das man bereitwilliger einsetzen würde […] Das ist noch nicht entschieden, aber es ist Teil unserer aktueller Diskussionen.

Das hört sich für mich ganz stark nach einem „whatever it takes“ an. Und keiner scheint es bemerkt zu haben  die Märkte zumindest haben kaum auf diese Aussage reagiert. Vielleicht auch, weil sie es sowieso irgendwann erwarten.

Es scheint zwar noch nicht entschieden zu sein. Überraschen würde mich dieser Schritt jedoch auch nicht. Denn nachdem die Fed ihre Bilanz nach der Finanzkrise in wenigen Jahren auf eine Größe von 4,5 Milliarden US-Dollar verfünffacht hat, knickt sie nach einer gerade einmal 20%igen Korrektur des S&P 500 vor den Märkten ein und beglückt diese bei einer Bilanzlänge von immer noch mehr als 4 Milliarden US-Dollar mit der Aussage, die Bilanzkürzung deutlich früher als ursprünglich geplant zu stoppen.

Warum auch nicht? Immerhin haben sie es mit dieser Politik geschafft, eine große Depression zu verhindern und für den längsten Wirtschaftsaufschwung der US-Wirtschaftsgeschichte zu sorgen.

So positiv sehen es zumindest die Zentralbanken und die Befürworter dieser Politik. Im Gegensatz zu diesen glaube ich jedoch nicht, dass sie es mit ihrer Politik schaffen können, das Auf und Ab der Wirtschaft abzustellen und dafür zu sorgen, dass es bis auf ein paar kleine Dellen stetig bergauf gehen kann. Der Konjunkturzyklus kann nicht durch Geldpolitik abgestellt werden. Er ist ein Produkt der menschlichen Psyche, und die verändert sich nicht so schnell.

Aber auch im Gegensatz zu den Damen und Herren an den Schalthebeln denke ich nicht, dass wir Angst davor haben sollten. Wobei ich sagen muss, dass ich das Verhalten der Damen und Herren (Geld-)Politiker/innen nachvollziehen kann. Diese wollen schließlich in nicht allzu ferner Zukunft wiedergewählt oder wieder ins Amt berufen werden. Ein wirtschaftlicher Abschwung ist für solche Ziele nicht gerade förderlich - vor allem dann, wenn es einem in die Schuhe geschoben werden kann, diesen mit ausgelöst zu haben (zum Beispiel durch einen Autopiloten, der dem Finanzsystem ohne Rücksicht auf seine Teilnehmer jeden Monat einen zweistelligen Milliardenbetrag entzieht).

Aber wir, zumindest die langfristig orientierten Anleger unter uns, sollten keine Angst vor Konjunkturschwankungen haben. Im Gegenteil, denn wir können uns den Luxus erlauben, über die nächsten zwei, drei, vier Jahre hinauszublicken. Und da bin ich wieder viel positiver gestimmt, denn auch der irgendwann kommende Abschwung wird nicht bis in alle Ewigkeit dauern. Und einem Abschwung folgt zwangsläufig der nächste Aufschwung.

Deswegen sind Abschwünge für Anleger, die noch Kapital für einige Jahre anlegen wollen, auch etwas Schönes: Sie führen zu günstigen Bewertungen von Vermögensklassen wie Aktien, sodass sich über die Zeit eine Investition so richtig auszahlen wird.

Meine Enttäuschung über die Entwicklung der Märkte (bzw. der Entwicklung der Geldpolitik) im Januar kommt daher, dass ich eigentlich hoffte, noch mehr Zeit für die Schnäppchenjagd zu haben - und vielleicht sogar noch größere Preisnachlässe präsentiert zu bekommen. Daraus wurde vorerst nichts.

Auf der anderen Seite sind die Märkte - vor allem in Europa, weniger in den USA - noch immer relativ weit unter ihren Höchstständen und nicht mehr richtig teuer bewertet. Zumindest findet man hierzulande schon wieder hervorragende Unternehmen mit überdurchschnittlichem Wachstums- und/oder Ertragspotenzial zu attraktiven Preisen.

Also selbst wenn es in den kommenden Monaten oder sogar ein bis zwei Jahren doch nicht mehr so viel günstiger wird: Wenn man an den richtigen Stellen sucht, wird man durchaus leichter fündig als noch vor einem Jahr - und wenn man einmal ein großartiges Unternehmen zu einem fairen Preis gekauft hat, dann muss man sich um die Geldpolitik keine Gedanken mehr machen.

Titelfoto: Orhan Cam / Shutterstock.com

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