Deutsche Bank: Anleger sehen nur ganz kleines Licht am Ende des Tunnel

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Rechnet man den Divideneabschlag von 11 Cent aus dem Kurs heraus, würde die Aktie zwar etwas besser dastehen, aber der große Befreiungsschlag ist dem größten deutschen Bankinstitut auf der gestrigen Hauptversammlung nicht gelungen. Die Anleger bleiben weiterhin vorsichtig. Die Deutsche Bank muss noch einige Baustellen schließen, um wieder Vertrauen zurück zu gewinnen.

Die einst so stolze Frankfurter Bank hat den Anschluss zur internationalen Konkurrenz verloren und bei der Hauptversammlung am Donnerstag musste sich der Aufsichtsratschef Paul Achleitner sogar mehrere Mal anhören, dass selbst die früher gerne mal belächelte Commerzbank in vielen Punkten inzwischen an der Deutschen vorbeigezogen ist. Interne Querelen mit zwei Chefwechseln seit Anfang 2015 verunsichern die Mitarbeiter und Investoren, der Aktienkurs liegt am Boden. Der aus dem eigenen Stall kommende neue Chef Christian Sewing soll es jetzt richten. Eine Herkules-Aufgabe, denn bei der Deutschen Bank ist einiges aus dem Ruder gelaufen. Nicht wenige Experten fordern einen radikalen Kurswechsel und die Kursziele einiger namhaften Analysten sind mittlerweile unterirdisch.

Was muss sich ändern?

Die Erträge müssen hoch und die Kosten runter. Eine Faustregel bei kriselnden Konzernen.  Eine schwierige Aufgabe bei nach wie vor dünner Kapitaldecke, strengeren Regeln für Banken und anhaltend niedrigen Zinsen in der Eurozone. Vielen Experten mutet das wie eine Quadratur des Kreises an. Sewings Aufgabe ist sicherlich derzeit eine der schwersten in der Branche. Die meisten Anleger trauen es dem neuen Chef der Deutschen Bank wohl noch zu, sonst wäre der Kurs schon im einstelligen Bereich.

Auf der Hauptversammlung am Donnerstag bekam Sewing jedenfalls noch Unterstützung. Viele Anleger rechnen ihm hoch an, dass er fast sein gesamtes Berufsleben in der Bank verbracht hat. Es kommt gut an, dass er nicht wie viele Investmentbanker auf der Suche nach immer höheren Boni von Bank zu Bank gepilgert ist.

Es bleiben zwar Zweifel über die Chancen, den Tanker Deutsche Bank wieder in sichereres Fahrwasser und bessere Zeiten zu steuern. Untätigkeit lässt sich Sewing jedoch nicht vorwerfen. Er kündigte nach nur 46 Tagen im Amt pünktlich zur Hauptversammlung den weiteren Abbau von Tausenden Stellen an. So soll die Zahl der Mitarbeiter von 97 000 auf “deutlich“ unter 90 000 fallen. Damit geht der Stellenabbau unter Sewing noch etwas weiter, als sein im April überraschend gefeuerter Vorgänger John Cryan ursprünglich geplant hatte. Allerdings hatten viele Experten mit einem noch höheren Stellenabbau gerechnet.

Jedoch blieb Sewing bei den Details vage. Die Frage ist nun, was unter dem “deutlich“ zu verstehen ist. Hinter vorgehaltener Hand wird eher eine Zahl um die 85 000 genannt – aber mit Rücksicht auf die laufende Integration der Postbank hat sich Sewing wohl noch zurückgehalten. Fest steht: Die Deutsche Bank hat hier noch viel aufzuholen. Andere große Häuser wie die Schweizer UBS haben in den vergangen Jahren viel stärker gekürzt und sich konsequenter auf das neue Umfeld ausgerichtet. So verdienen die meisten Geldhäuser inzwischen wieder Milliarden, während die Deutsche Bank zuletzt drei Jahre in Folge Verluste schrieb. 2018 dürfte angesichts der Kosten für den Stellenabbau, Sewing bezifferte sie auf etwa 800 Millionen Euro, unterm Strich allenfalls ein Mini-Gewinn herauskommen. Viele Experten rechnen sogar erneut mit roten Zahlen.

Die Fachwelt ist nicht überzeugt

Analysten und Experten sind nach wie vor skeptisch, ob der Bank die Wende gelingt. Viele fragen sich, wo die Erträge herkommen sollen. Der radikale Personalabbau ist dabei nicht sonderlich hilfreich. So hatte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Union Investment auf der Hauptversammlung gesagt: “Der sukzessive Umbau des Geschäftsmodells und das Zurechtstutzen des Investmentbankings gleichen einer Operation am offenen Herzen. Wie wollen Sie es schaffen, Geschäft aufzugeben und Kosten zu reduzieren, ohne massiv Marktanteile und Erträge zu verlieren?“

Ähnlich sehen es die meisten Aktienexperten, die auf die Ankündigung des stärkeren Stellenabbaus ungewohnt zurückhaltend reagierten. Viele lobten zwar den Ansatz, wollen jetzt aber erst einmal sehen, ob es auch klappt, das Geschäft zu steigern. So lobte beispielsweise Goldman-Sachs-Experte Jernej Omahen das bekräftigte Renditeziel für 2021, die Kostenziele und weitere zur Hauptversammlung gemachte Ankündigungen. Er betonte aber in einer Studie auch, dass die Herausforderungen weiterhin sehr hoch seien.

Er zählt mit einem Kursziel von 12,70 Euro noch zu den größten Optimisten der 22 von dpa-AFX erfassten Experten. Mehr hat kaum einer auf dem Zettel. Trotz des weit über dem aktuellen Niveau liegenden Ziels stuft auch Goldman Sachs die Aktie derzeit nur mit “Neutral“ ein. Derzeit gibt es unter den von dpa-AFX erfassten Analysten gerade mal zwei Kaufempfehlungen. Diesen stehen zehn Verkaufstipps entgegen. Die Kursziele reichen dabei von 8 bis 14 Euro.

Kursentwicklung ist desaströs

Kurz-, mittel- und auch langfristig treibt das Chartbild der Deutschen Bank Anleger Tränen in die Augen. In den vergangenen zehn Jahren stürzte der Kurs um mehr als 80 Prozent ab. Unter den großen Instituten haben nur jene Banken mehr verloren, die zwischenzeitlich Staatshilfe gebraucht hatten oder immer noch von den Regierungen gestützt werden. Eigentlich sollte der erfahrene Finanzmanager Paul Achleitner das Blatt wenden. Aber seit seinem Amtsantritt im Mai 2012 hat sich der Kursverfall noch einmal verschärft, seitdem ging es um 60 Prozent nach unten.

Der hektisch durchgezogene Rauswurf Cryans und die Berufung von Sewing brachten am Kapitalmarkt bisher keine Besserung. Im Gegenteil: Seitdem ging es um fast zehn Prozent nach unten. Das Jahresminus beläuft sich inzwischen auf 35 Prozent. Der schlechteste Wert unter allen 30 DAX-Titeln. Der Abstand zum Rekordtief von 8,83 Euro aus dem Herbst 2016 wird auch immer kleiner. Geht es noch weitere 15 Prozent runter, ist ein neuer historischer Tiefpunkt im Kurs erreicht.

Der Börsenwert liegt derzeit bei nur noch etwas mehr als 21 Milliarden Euro. Damit spielt die Bank unter den großen europäischen Häusern keine Rolle mehr. Im Branchenindex Stoxx 600 Banks liegt sie damit gerade mal auf Rang 23 und damit, weit abgeschlagen von der Spitze, im Mittelfeld hinter Adressen international eher unbekannter Häuer wie KBC Group oder DNB. Der frühere Bankchef Josef Ackermann hatte den Anspruch, die Bank bei diesem Wert an die Weltspitze zu führen und drehte daher das große Rad im Investmentbanking.

Dieser Versuch ist krachend gescheitert. Börsenwerte von Häusern wie JPMorgan, Citigroup oder HSBC sind für die Deutsche Bank inzwischen in ganz weite Ferne gerückt.  Die Frankfurter müssen sich inzwischen mit Fintechs wie Wirecard messen. Der Zahlungsabwickler aus einem Münchener Vorort mit 4500 Angestellten ist nach einem Höhenflug der Aktie inzwischen fast 16 Milliarden Euro wert und damit zumindest schon mal auf Tuchfühlung zur Deutschen Bank.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Ganz aufgegeben scheinen die Anleger die Deutsche Bank noch nicht zu haben. Christian Sewing ist aber gut beraten, schleunigst für positive Nachricht zu sorgen. Der Stellenabbau, so bitter er auch für die Mitarbeiter ist, kann erst der Anfang sein. Um wieder Fantasie für die Aktie zu wecken, muss der neue Mann an der Spitze der Deutschen Bank weitere Baustellen schließen, und zwar möglichst schnell.

Von Markus Weingran / dpa-AFX

Foto: Hadrian / Shutterstock.com

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