Die Inflationsangst ist verfrüht!

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

2,2 Prozent betrug die Teuerung zuletzt in Deutschland. Da ich ja mal in Form eines Buches mit dem Titel „Die Inflation kommt!“ vorausgesagt habe, dass die Teuerung irgendwann in der Zukunft deutlich steigen wird, müsste mir das eigentlich gerade recht sein. Ist es mir auch. Aber jetzt zu prognostizieren, dass das nun der Beginn der höheren Inflationsraten ist, wäre zu früh. Ich bin zwar nach wie vor davon überzeugt, dass wir irgendwann Inflationsraten in den USA und Europa sehen, die in Richtung vier Prozent und auch darüber gehen werden. Das wird aber noch etwas dauern.

Basiseffekt wird übersehen

Was derzeit die Preise treibt, ist genau das, was vor rund einem Jahr die Preissteigerungsraten noch auf Null gedrückt hat. Es sind die Energiepreise. Zur Erinnerung: eine schwächelnde Weltkonjunktur insbesondere beim Rohstoffmegakonsumenten China hatte die Nachfrage nach Rohstoffen und eben auch nach Rohöl gebremst. Dazu kam die deutlich erweiterte Produktionskapazität durch das Fracking-Öl aus den USA. Das ließ die Preise massiv einbrechen, von 100 US-Dollar im Jahr 2014 bis auf 30 US-Dollar pro Barrel. Natürlich hinterließ das entsprechende Spuren bei den allgemeinen Verbraucherpreisen. Jetzt haben sich die Preise wieder um rund 80 Prozent erholt auf rund 50 US-Dollar je Barrel. Zudem ist der US-Dollar gegenüber dem Euro gestiegen, was den Preisanstieg aus europäischer Sicht noch größer macht. Deshalb steigen jetzt die Inflationsraten wieder. Und nicht, weil die Konsumlaune der Verbraucher nicht mehr durch entsprechende Produktion befriedigt werden kann. Vom sogenannten Basiseffekt wird hier gesprochen. Bleiben die Ölpreise jetzt da, wo sie sind, dann werden die Inflationsraten in einem Jahr dementsprechend wieder tiefer liegen, weil dieser Effekt dann ausläuft. Denn bei den Löhnen als auch anderen Preisen sind die Steigerungen nach wie vor sehr verhalten.

Lohninflation wird irgendwann der Treiber sein

In Deutschland sind die Inflationsraten innerhalb Europas derzeit am höchsten. Das liegt hierzulande auch an der Vollbeschäftigung, die die Löhne treibt. Es wird kaum zu vermeiden sein, dass die Löhne in den kommenden Jahren wieder stärker steigen, nachdem sie jahrelang stagnierten oder unterdurchschnittlich gestiegen sind. Das Wachstum fuhren nur die oberen zehn Prozent ein. Hier liegt ein Grund für den aufkommenden Populismus in den USA und Europa, der sich in Personen wie Donald Trump, Marine le Pen und Geert Wilders widerspiegelt. Auch die AfD ist aus diesem Blickwinkel zu betrachten. Sie wird gewählt von den Abgehängten, oder denen die Angst haben, bald abgehängt zu werden. Wollen die etablierten Parteien nicht die Mehrheiten verlieren, werden sie Antworten finden müssen, und die können nur mehr Einkommenszuwachs für die unteren Schichten bedeuten. In jedem Fall wird das dann die Produktionspreise erhöhen und die Inflation treiben.

Draghi legt sich‘s aus, wie er es braucht

Als die Preise im vergangen Jahr Richtung Schrumpfung, also Deflation, drifteten, da argumentierte der EZB-Chef Mario Draghi genau mit dieser Gefahr und rechtfertigte den immer weiter ins Negative sinkenden Leitzins. Dass dies vor allem den fallenden Energiepreisen geschuldet war, ließ er unter den Tisch fallen. Jetzt, wo sich die Inflation der Zielmarke von zwei Prozent nähert und in einigen Ländern schon darüber liegt, argumentiert er mit genau diesem Basiseffekt. Denn die Währungshüter ließen die Zinsen weiter bei minus 0,4 Prozent.

Im Übrigen habe ich mit dieser Prognose in meinem Buch schon Recht bekommen. Die Notenbanken tolerieren die Inflation, wovon ich ausging. Und ich sagte einen negativen Realzins voraus. Auch das ist eingetroffen, wenn auch mehr durch sinkende Zinsen als durch steigende Inflation. Für den Anleger ist das Resultat das gleiche. Er wird schleichend enteignet.

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