Drei Fragen an Bernecker: Neues Tief oder weitere Erholung, was folgt jetzt für den Dax? Ist Amazon eine sichere Nummer und wie real ist die Gefahr einer Inflationswelle?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In der heutigen Ausgabe fragen wir nach einer allgemeinen Markteinschätzung, dem Stand von Amazon und ob eine mögliche Inflationswelle droht.

onvista-Redaktion: Es bleibt vorerst ein wilder Ritt an den Börsen. Nach dem Tief im Dax bei etwa 8.200 Punkten ging es zunächst wieder bis über die 10.000 Punkte Marke hoch, doch die Nervosität hält die Märkte gefangen. Sehen wir das Tief noch einmal, oder haben die Märkte das Schlimmste jetzt eingepreist?

Die Börsen wagen keinen wilden Ritt, sondern nur den Anfang einer langen Aufwärtstendenz. Die Stabilisierung und den Start nach Fahrplan hatten wir vor 8 Tagen beschrieben. Was folgt, ist unschwer vorauszusagen: Ein Anstieg in Stufen je nachdem, wie sich der Nachrichtenstand rund um das Thema Epidemie und ökonomische Folgen in den nächsten Wochen erkennen lässt. Die V-Formation ist bestätigt und darin liegt eine besondere Qualität der Aussage: Die großen Investoren sind auf dem falschen Fuß erwischt worden. Sie müssen nun nachlegen. Erkennbar an den Tagesumsätzen im DAX.

Die Vergleichsfälle wiederhole ich nur kurz: 2003 und 2009. Damals mit völlig anderen Ausgangslagen und Ansätzen, aber in der Markttechnik exakt genauso.

onvista-Redaktion: Amazon ist im Zuge des ersten Schocks zwar mit nach unten gegangen, konnte sich im Börsen-Sturm aber wie der Fels in der Brandung schnell wieder erholen – sowohl das Kerngeschäft des Online-Handels, als auch die Cloud- und die Streamingsparte profitieren eher von der Coronakrise. Ist die Aktie jetzt eine sichere Nummer?

Alle FANG-Aktien sind in New York die Leading Indicators. Die schwerste Aktie, Apple, und die Nr. 2, Microsoft, verloren genauso viel wie in der letzten Marktkorrektur im 4. Quartal 2018. Amazon verlor weniger, aber im Prinzip das Gleiche: Jeder überzogenen Rally folgt eine Korrektur, aber diese großen Technikkonzerne bleiben weiterhin das Maß aller Dinge rund um Kommunikation, Netzwerke etc. Sie bestimmen damit die Grundtendenz dieses Sektors sowie die weitere Entwicklung der Wirtschaft sowohl in den USA als auch in China und meinetwegen auch Deutschland. Mit Stahl, Autos oder sonstigen alten Sektoren ist kein großes Geld zu machen. Weder für die Firmen noch für die Aktionäre. In diesen Fällen geht es nur um begrenztes Erholungspotenzial.

onvista-Redaktion: Angesichts der in Gang gesetzten enormen Geldausweitung der Notenbanken und des gleichzeitigen Produktionsstops bei vielen Produkten entsteht ein unguter Cocktail aus geringem Angebot und einer riesigen Menge Geld auf dem Markt. Für wie wahrscheinlich halten Sie angesichts dessen die Gefahr einer Inflationswelle?

Die umfangreichen Finanzhilfen der Regierungen und anderer Institutionen sind hilfreich, richtig, aber voraussichtlich zu hoch angesetzt. Darüber gibt es frühestens in vier bis sechs Wochen brauchbare Zahlen, wenn erkennbar wird, wie viel als Bürgschaften, wie viel als Zwischenfinanzierungen und wie viel als echte Hilfen ohne Rückzahlung in Anspruch genommen werden. In den zwei ersten Kategorien wird gar kein Geld oder nur vorübergehend Geld geschöpft, was anschließend zu tilgen ist. In dem Nettoaufwand läge der Denkansatz für einen inflatorischen Impuls. Er bleibt vorerst sehr bescheiden. Das gilt voraussichtlich auch für die amerikanischen Hilfen, die meist etwas anders zusammengesetzt sind als in Europa oder Deutschland. Richtig bleiben diese Finanzhilfen gleichwohl. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass dem Absturz der Wirtschaft eine sehr schnelle Erholung folgt. Das Vorbild dafür liefert die V-Formation der Indizes. So funktionieren Börse und reale Wirtschaft.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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