Ein gesunder Börsensommer

Holger Scholze · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der DAX hat seit seinem Allzeithoch im April mittlerweile um mehr als 14 Prozent nachgegeben. Und dafür lassen sich durchaus viele einleuchtende Gründe finden. Aber letztlich dienen sie vor allem dem Zweck, um für sich selbst eine logische Begründung für die Reaktionen der Marktteilnehmer und damit auch eine gewisse Beruhigung zu erhalten. Unter dem Strich ist die Entwicklung jedenfalls sehr gesund.

Korrektur war überfällig

Schon im Februar war mir die Situation nicht geheuer. Aber der Aufwärtstrend schien unaufhaltsam zu sein. Im März hatte sich der DAX von seinem Tief im vergangenen Oktober bereits um mehr als dreißig Prozent abgesetzt. Mit dem neuen Allzeithoch von 12.394 Punkten im Monat April hatte das deutsche Börsenbarometer dann innerhalb eines halben Jahres um sage und schreibe 48(!) Prozent zugelegt. Eine nahtlose Fortsetzung dieser Rallye hätte schließlich zu einem verheerenden „Blutbad“ in Form eines umso heftigeren Crashs führen können. Dabei wäre gerade bei vielen unerfahrenen Anlegern erneut sehr viel Vertrauen in die Aktien als wichtige Anlagealternative verloren gegangen. Deshalb bin ich sehr froh, dass im Frühjahr eine Konsolidierung eingeleitet wurde, die sich mittlerweile in eine gesunde Korrektur verwandelt hat. Welche Gründe hierfür auch immer zu finden sein mögen.

Sorgen um China halten an

Zuletzt wurde die Stimmung an den Börsen vor allem durch die Sorgen um das Wirtschaftswachstum in China eingetrübt. Viele Anleger befürchten eine deutliche Konjunkturabkühlung im „Reich der Mitte“. Ich hatte dies im Zusammenhang mit der überraschenden Abwertung des Yuan in der Kolumne der vergangenen Woche bereits ausführlich beschrieben. Weil diese zentralen Entwicklungen jedoch erst nach dem Treffen des Offenmarktausschusses der US-Notenbank (Fed) im Juli stattfanden, konnten sie in dem am Mittwochabend veröffentlichten Protokoll dieser Sitzung noch keine Rolle spielen.

US-Notenbanker brauchen mehr Daten

So ganz lassen sich die Währungshüter natürlich nie in die Karten schauen. Schließlich benötigen sie für unvorhersehbare Ereignisse und Entwicklungen immer auch ein geeignetes „Hintertürchen“. Die Aufzeichnungen aus dem Juli geben jedenfalls zu erkennen, dass die Fed Verbesserungen am US-Arbeitsmarkt feststellte. Viele Sitzungsteilnehmer vertraten die Auffassung, dass die US-Wirtschaft auf Vollbeschäftigung zusteuere. Allerdings wollten fast alle Mitglieder noch mehr Beweise dafür haben, dass das Wachstum stark genug ist und sich der Arbeitsmarkt ausreichend gefestigt hat. Denn erst dann gebe es genügend Zuversicht für eine Rückkehr der Inflation zur angesteuerten Zielrate von etwa zwei Prozent.

Die Notenbanker haben durchaus Sorgen wegen der niedrigen Inflation und des schwachen Wachstums der Weltwirtschaft durchblicken lassen. Ein Vertreter des Gremiums war dennoch bereit, sofort für einen Zinsschritt zu stimmen. Eine weitere Gruppe von Teilnehmern sah die Bedingungen für eine Anhebung entweder bereits gegeben oder voraussichtlich in Kürze erreicht. Klare Aussagen, ob die angekündigte Zinswende im Zuge der kommenden Sitzung im September erfolgen werde, enthielten die Protokolle natürlich nicht.

Jüngste Entwicklung dürfte verunsichern

Erst am Montag hatte der Empire-State-Index für große Enttäuschung gesorgt. Die Geschäfte der Industrie im wichtigen US-Bundesstaat New York sind im August so schlecht gelaufen wie seit mehr als sechs Jahren nicht mehr. Gründe hierfür sollen rückläufige Neuaufträge und sinkende Exporte gewesen sein. Allerdings gehen die Unternehmen davon aus, dass sich die Lage bald wieder bessern werde.

Wie erst am Mittwoch gemeldet wurde, bleibt die Inflationsrate vor allem wegen der sinkenden Ölpreise niedrig. Waren und Dienstleistungen verteuerten sich im Juli um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Interessant ist die sogenannte Kerninflation, welche die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Nahrungsmittel ausklammert. Diese lag wie im Juni bei 1,8 Prozent. Einige Ökonomen sind sich allerdings einig darin, dass die geringe Inflation die Fed nicht von einer Zinsanhebung in diesem Jahr abhalten werde. Die Währungshüter wollten nur einigermaßen sicher sein, dass sich die Teuerung mittelfristig auf die angestrebte Marke zubewegt.

Zinsanhebung der Fed im September weniger wahrscheinlich

Zusammengefasst überwiegt das Risiko, dass die Prognosen für die reale Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und die Inflation gesenkt werden müssen. Laut Fed-Protokoll seien weitere Wirtschaftsdaten notwendig, um den Zeitpunkt der Zinswende festlegen zu können.

Schaut man sich allein den sofort schwächer tendierenden US-Dollar an, scheint die Wahrscheinlichkeit einer Zinsanhebung im September zumindest in den Augen der Börsianer gesunken zu sein. Zumal die Situation in China von den US-Notenbankern erst im Zuge der kommenden Zinssitzung, welche am 16. und 17. September stattfindet, gemeinsam diskutiert werden kann.

Drei Jahre Ruhe vor Griechenland

Für die Finanzmärkte sollte die griechische Schuldenkrise nun erst einmal keine große Rolle mehr spielen. Am Mittwoch hat nun auch der Bundestag dem dritten Hilfsprogramm für Griechenland zugstimmt. Finanzminister Wolfgang Schäuble konnte also gemeinsam mit seinen Kollegen aus den anderen Euro-Ländern im Gouverneursrat des Rettungsfonds ESM grünes Licht für das Hilfspaket geben. Das ESM-Direktorium war nun ermächtigt, eine erste Teilauszahlung von 13 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen. Damit kann Griechenland heute eine Kreditrückzahlung an die Europäische Zentralbank leisten.

Das dritte Griechenland-Programm soll über den auf Dauer angelegten Rettungsfonds ESM laufen und in den kommenden drei Jahren einen Finanzbedarf von bis zu 86 Milliarden Euro decken. Bei dieser Summe seien „bedarfsmindernd“ rund zwei Milliarden Euro Haushaltsüberschüsse aus Griechenland sowie 6,2 Milliarden Euro Privatisierungserlöse bis zum Jahr 2018 veranschlagt worden.

Ob und wenn ja in welcher Höhe sich der sich der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligt, ist noch offen. Die Verantwortlichen des IWF wollen dies im Herbst entscheiden. Sollte der IWF die verbleibenden 16 bis 17 Milliarden Euro aus seinem abgebrochenen zweiten Programm auf das mögliche neue übertragen, kämen die Euro-Länder auf Kredithilfen von rund 70 Milliarden Euro.

DAX hat 200-Tage-Linie durchbrochen

Das von mir vor einer Woche beschriebene erste Abwärtspotential bis auf 10.700 Punkte hat der DAX bereits komplett ausgeschöpft. Dabei durchbrach der deutsche Leitindex auch seine 200-Tage-Linie sehr deutlich nach unten, was viele Anleger sofort zur Platzierung weiterer Verkaufsaufträge für deutsche Aktien animierte.

Damit ist nun auch ein weiterer schneller Rutsch bis auf 10.450 Zähler wahrscheinlich geworden. Sollte sich die Nervosität dadurch noch weiter erhöhen und andere negative Nachrichten hinzukommen, ist - wie ebenfalls vor einer Woche beschrieben - aus meiner Sicht auch ein baldiger Rückgang des DAX bis in den Bereich von 10.300 Punkten vorstellbar. Ausgehend vom Rekordhoch vom April wäre dies dann eine Korrektur von rund 17 Prozent. Selbst ein weiteres Abgleiten bis auf 10.150 Zähler wäre für mittel- und langfristig orientierte Investoren kein Problem. Der Abschlag vom Allzeithoch würde dann rund 18 Prozent betragen. Was in Anbetracht der extremen Rallye von Oktober bis April noch immer als äußerst gesund zu bezeichnen wäre. Spätestens dann würde ich aber wieder entschlossen zu Aktien greifen.

Keine Panik!

Denn das übergeordnete Thema bleibt für mich auch weiterhin die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), welche ihr Wertpapierkaufprogramm in Höhe von 60 Milliarden Euro monatlich mindestens bis zum September 2016 aufrechterhalten wird. Und damit wird es auf absehbare Zeit sehr schwer sein, sinnvolle Alternativen zur Aktienanlage zu finden.

Ihr Holger Scholze

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