Fantastisches erstes Halbjahr, turbulentes zweites?

Jessica Schwarzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Das erste Halbjahr war fantastisch. Aktien top, Gold top, sogar mit Anleihen konnte man Geld verdienen. Und nun? So weitergehen wird es wohl nicht.

Wer hätte nach dem extrem schlechten vierten Quartal und mehr als trüben Ausblicken gedacht, dass die Märkte derart durchstarten? Eine Erholung, ja. Schließlich war 2018 das schlechteste Börsenjahr nach der Finanzkrise. Aber eine Rally quer durch alle Anlageklassen? Fakt ist: Das erste Halbjahr war fantastisch. Der Dax legte in den ersten sechs Monaten eine Performance von 17,4 Prozent auf das Börsenparkett. Nur das erste Halbjahr 2007 war mit einem Zuwachs von 21,4 Prozent noch erfolgreicher als 2019. Mit einem Plus von 6,3 Prozent war der Juni der zweitbeste in der Dax-Historie. Da ist die Korrektur im Mai, die allerdings auch recht moderat ausfiel, schon vergessen. Seit Jahresbeginn ging es um stolze 2000 Punkte aufwärts.

Auch an der Wall Street stiegen die Kurse und wurden sogar neue Rekorde markiert. Vor allem im vergangenen Monat waren US-Aktien gefragt, getrieben von der Aussicht auf neue Zinssenkungen der US-Notenbank. Der Dow Jones verzeichnete den besten Juni seit 1938 und der S&P500 mit einem Plus von 6,9 Prozent den besten Juni seit 1955. Insgesamt war es für den breiten amerikanischen Aktienmarkt das beste erste Halbjahr der vergangenen 20 Jahre. Vor allem defensive Aktie wurden geordert. Ein Zeichen für verhaltenen Optimismus? Besonders positiv gestimmt sind Börsianer nämlich derzeit nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall, wie Umfragen zeigen.

Dazu passt, dass die Krisenwährung Nummer eins ebenfalls kräftig zulegte: In Zeiten von Handelsstreit und Wachstumssorgen ist Gold als sicherer Hafen gefragt. Der Preis für das gelbe Edelmetall verteuerte sich um zehn Prozent. Selbst mit Anleihen konnte man im ersten Halbjahr Geld verdienen – denn sinkende Renditen bedeuten bekanntlich steigende Kurse. Zehnjährige Bundesanleihen verteuerten sich um mehr als fünf Prozent, die Rendite sank immer tiefer ins Minus. Zumindest Kursgewinne haben Anleger am Rentenmarkt aber verbuchen können.

Grund für den guten Start ist vor allem die veränderte geldpolitische Ausrichtung der Notenbanken. Es gilt als sicher, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen wieder senken wird, um die schwächelnde Wirtschaft zu unterstützen. An den Märkten kam das gut an. Schon Ende Juli rechnen Börsianer mit dem ersten Zinsschritt, mindestens ein weiterer sollte folgen. Zumindest sind diese Zinssenkungen bereits eingepreist.

Und wie geht es nun weiter? Der Auftakt des zweiten Halbjahres lief sehr gut. Anleger feiern die Annäherung zwischen den USA und China beim G20-Gipfel in Osaka. Es wird immerhin wieder verhandelt, neue Strafzölle soll es nicht geben. Vorerst. Der Dax legte am Montag zwischenzeitlich mehr als 200 Punkte zu und kletterte auf ein neues Jahreshoch. Auch an der Wall Street stiegen die Kurse weiter.

Die Luft wird langsam dünner

Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: Die Luft wird langsam dünner. Nach dem fantastischen ersten Halbjahr dürften viele Anlageklassen den größten Teil ihrer Jahresperformance bereits eingefahren haben. Natürlich wird die erwartete, neuerliche Lockerung der Geldpolitik die Märkte unterstützen, vielleicht sogar noch ein wenig weiter treiben. Aber so rasant wie in den vergangenen sechs Monat wird es eher nicht weitergehen. Experten rechnen damit, dass die Kurse wieder stärker schwanken werden. Mit größere Kursgewinnen bis zum Jahresende rechnen die wenigsten. Die Märkte würden sich im Spannungsfeld zwischen einem eingetrübten, durch Handelskonflikte gekennzeichneten realwirtschaftlichen Umfeld und der Hoffnung auf eine lockere Geldpolitik befinden, heißt es etwa bei der Deka-Bank. Entscheidend für den weiteren Verlauf des Börsenjahres sei die Frage, ob es sich bei der lockeren Geldpolitik um eine vorsorgliche Maßnahme der Notenbanken handele oder ob die Sorge vor einer konjunkturellen Abschwächung der dominierende Faktor hinter weiteren Lockerungen sei.

Eine vorsorgliche Maßnahme würde den Aktienmarkt stützen. Wäre allerdings die Sorge vor einem Abschwung das vorherrschende Motiv, würden sich die Märkte eintrüben. Die Prognosen für das Gewinnwachstum der US-Unternehmen sind mau, die Unternehmensgewinne gehen zurück. Das Bewertungsniveau von US-Aktie, das gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis derzeit bei 17,7 liegt, ist nicht mehr günstig. Der historische Durchschnitt liegt bei 16,0. Konjunkturdaten waren zuletzt durchwachsen. Noch immer gibt es Rezessionsängste. Die Unterstützung vonseiten der Notenbanken ist also kein Garant für weiter steigende Aktienkurse.

Heftigere Turbulenzen sollten uns aber auch erspart werden. Natürlich ist es schwer einzuschätzen, wie sich der Handelsstreit weiter entwickelt. Er kann sich jederzeit wieder zuspitzen. US-Präsident Donald Trump ist immer für eine böse Überraschung gut. Im August läuft aber das bereits verlängerte US-Ultimatum für Handelsgespräche mit Japan aus, im Oktober das für die Europäischen Union. Und einen Vertrag zwischen den USA und China gibt es auch noch nicht. Das Thema Strafzölle ist noch längst nicht vom Tisch. Einen Vorgeschmack gab es gestern: Kaum gibt es Entspannungssignale im Handelsstreit mit China erhöhen die USA den Druck auf die Europäische Union. Die US-Regierung droht wegen verbotener Flugzeugsubventionen mit weiteren milliardenschweren Sonderzöllen auf Lebensmittel wie Oliven, Fleisch und Käse, aber auch auf Whisky und Guseisenrohre. Ob sie kommen, wird sich zeigen.

Der Handelsstreit ist nicht das einzige Thema, dass Börsianer auch in den kommenden Monaten beschäftigen wird: Die mögliche Eskalation des Konflikts zwischen den USA und Iran könnte die Stimmung an den Märkten massiv trüben. Und auch das Haushaltsdefizit in Italien könnte schon bald wieder auf der Agenda stehen. Doch trotz aller Gefahren, trotz des Spannungsfeldes zwischen eingetrübter Konjunkturausblicke, Handelskonflikt und lockerer Geldpolitik sollte 2019 ein gutes Jahr für Anleger werden. Vielleicht war der Anstieg im ersten Halbjahr etwas zu heftig. Da wurde viel vorweggenommen, einiges ignoriert. Auch deshalb könnte es in den kommenden Monaten etwas gemächlicher zugehen, auch mal ein paar Punkte abwärts gehen. Dass die Märkte ihre Gewinne aber wieder komplett abgeben, ist eher unwahrscheinlich. Aber wie heißt es so schön: Abgerechnet wird zum Schluss.

Titelfoto: yanik88 / Shutterstock.com

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