Googles Spiele-Plattform „Stadia“ – Angriff auf Sony, Microsoft und Nintendo – Ist das Ende der Konsole gekommen?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Google hat mit seiner jüngsten Ankündigung ein enormes Beben in der Gaming-Industrie ausgelöst. Auf der Entwicklerkonferenz GDC in San Francisco hat der Internet-Riese seine eigene Gaming-Plattform „Stadia“ angekündigt, die eine neue Infrastruktur für die Branche schaffen und noch in diesem Jahr erscheinen soll.

Was ist „Stadia“?

Stadia soll eine Streaming-Plattform für Videospiele werden. Das bedeutet, dass die Spiele nicht mehr auf den eigenen PC heruntergeladen werden müssen, sondern direkt auf den Servern des Google-Datacenters laufen und über das Internet auf den Bildschirm zuhause gestreamt werden. Teure Hardware, wie beispielsweise eine Konsole oder ein aufs Gaming ausgelegter Computer, wird somit für den Spieler obsolet. Solange die Internetverbindung gut genug ist, reicht ein Endgerät mit einfachster Hardware. Die Plattform soll auf PCs über den Chrome-Webbrowser, auf Tablets und Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android sowie auf Fernsehern nutzbar sein.

Über Stadia will Google eine Auswahl von Spielen zunächst in hoher 4k-Auflösung zur Verfügung stellen. Mit einer Internet-Leitung von 15 Mbits soll ein uneingeschränktes Streaming möglich sein, für die 4k-Auflösung wird eine 50 Mbit-Leitung empfohlen. Bei geringerer Bandbreite soll sich die Auflösung des gestreamten Spiels automatisch herunterskalieren, damit das Spielen immer noch möglich ist.

Eigener Kontroller mit Zusatzfunktionen

Zur Steuerung der Games stellte Google auch einen selbst entwickelten Controller vor. Das Gerät sieht aus wie bisherige Controller für Konsolen oder Spiele-PCs, hat aber zwei zusätzliche Knöpfe. Mit dem einen kann man den Sprachassistenten Google Assistant auslösen, der unter anderem Tipps zum Spielgeschehen geben soll. Mit dem anderem Knopf kann der Spielverlauf in Echtzeit auf Googles Videoplattform YouTube übertragen werden. An PCs und Konsolen sollen auch herkömliche Controller verwendet werden können, wenn man die Plattform über Googles Chromecast auf dem Fernseher nutzt, wird jedoch der hauseigene Kontroller benötigt. Die Eingaben am Controller werden direkt an das Google-Datacenter geschickt, um die Verzögerung so gering wie möglich zu halten und ein Spielgefühl zu erzeugen, das sich genauso anfühlt, als würde das Spiel direkt auf dem eigenen Gerät laufen.

Bezahl-Modell und Spieleauswahl bisher unklar

Zum Geschäftsmodell äußerte sich Google nicht näher. Unklar blieb auch, wie groß die Spiele-Auswahl sein wird. Nur wenige Spiele wurden definitiv angekündigt, darunter der anstehende Ego-Shooter „Doom: Eternal“. In einem Test ließ Google in den vergangenen Monaten bereits „Assassin’s Creed: Odyssey“ über die Cloud spielen.

Entwicklern bietet das Unternehmen eine Reihe von Werkzeugen auf der Plattform an, über die künftig auch Spiele vertrieben werden sollen. Zudem ist mit „Stadia Games and Entertainment“ ein eigenes Entwickler-Studio geplant.

Wie sieht der Markt aus? Gegen wen tritt Google an?

Mit dem Angebot konkurriert Google mit Anbietern von Spielekonsolen und hochgerüsteten Gaming-PCs, aber auch mit bereits angekündigten Plattformen etwa von Microsoft und Apple. Eine ganz ähnliche Vision hatte nämlich erst kürzlich auch Xbox-Entwickler Microsoft vorgestellt. Unter dem Namen Game Stack will der Konzern Spiele-Entwicklern ebenfalls eine Plattform als komplettes Ökosystem bieten.Genaue Daten zu dem Projekt sind allerdings noch nicht bekannt.

Apple hat mit „Apple Arcade“ ebenfalls ein ähnliches Modell angekündigt. Spieler zahlen dabei monatlich, um Zugriff auf eine Bibliothek von anfangs 100 Spielen zu erhalten. Apple Arcarde bekommt einen eigenen Tab im App Store, jedes Spiel soll offline spielbar, alle Features sollen mit drin sein. Entwickler der Spiele sollen nach gespielten Minuten bezahlt werden.

Sony bietet bereits seit einiger Zeit Streaming für ältere Spiele auf seiner Playstation an. Unter dem Namen „Playstation Now“ bietet das Unternehmen eine Bibliothek aus 600 Titeln an, darunter auch deutlich ältere Spiele. Auch dieses Angebot läuft unter einem Abo-Modell.

Weitere Anbieter mit ähnlichen Modellen sind „Shadow PC“ des Anbieters Blade, bei dem lediglich eine leistungsstarke Hardware über die Cloud gemietet wird. Auch Grafikkarten-Hersteller Nvidia bietet mit „Geforce Now“ eine Spiele-Videothek an, die sich allerdings noch in der Beta-Phase befindet.

Wie sieht die Zukunft der Gaming-Branche aus?

Die Cloud sei die neue Plattformdynamik in der Games-Branche und werde die künftige Wettbewerbslandschaft prägen, schätzte Piers Harding-Rolls von dem Marktforschungsunternehmen IHS. Google sei dabei im wesentlichen gut positioniert, um eine große Zahl von Nutzern anzusprechen, etwa über seine Plattformen YouTube, Google Play oder Daydream VR.  „Google hat jedoch eine entscheidende Schwäche“, kommentierte Hardings-Rolls. Das Unternehmen verfüge über keine eigenen und exklusiven Inhalte. Mit „Stadia Games and Entertainment“ sei zwar das erste eigene Entwickler-Studio geplant, doch exklusive Spiele von Drittanbietern fehlten bislang, um sich im harten Wettbewerb zu behaupten.

Der Markt für Spielekonsolen wird seit Jahren vor allem von Sony, Microsoft und Nintendo dominiert – auch neue technologische Entwicklungen haben dem stabilen Markt wenig anhaben können. Das könnte sich nun mit dem Weg in die Cloud ändern. Durch die Eliminierung der Notwendigkeit einer Konsole oder eines Gaming-PCs, der aus teilweise sehr teurer Hardware besteht, ist die Eintrittsbarriere in die Spiele-Landschaft noch einmal stark vermindert worden.

Ein weiterer Punkt, der durch die Cloud gelöst wird, ist der, das ein sofortiger Einstieg in das jeweilige Spiel möglich wird. Heutige Spiele bestehen aus sehr großen Datenpaketen. Um Triple-A-Titel auf dem eigenen Rechner zu installieren, müssen teilweise 40 bis 60 Gigabyte an Daten heruntergeladen werden, was je nach Internetleitung extrem lange dauern kann. Durch das Streaming fällt dieser Faktor komplett weg und der Nutzer kann sofort loslegen. Das Cloud-System erschafft eine neue Infrastruktur, die viel mehr Interconnectivität ermöglicht und sowohl den Spielern, als auch den Entwicklern neue Anwendungsmöglichkeiten bietet. Unabhängig davon, welche Plattform sich durchsetzen wird, ist abzusehen, dass Cloud-Streaming die Zukunft der Gaming-Branche bestimmen wird, ähnlich wie DVDs und Videotheken auch durch Streaming-Anbieter wie Netflix, Amazon Prime und Co. ersetzt worden sind.

Wer wird das Rennen machen?

Der Vorteil von Google gegenüber den anderen Plattform-Anbietern ist die gigantische Infrastruktur des Online-Riesen. Googles Netzwerk erstreckt sich über die ganze Welt und das Datacenter ist extrem leistungsfähig. Auf technischer Ebene hat Google auch durch seine verschiedenen Content-Plattformen wie Youtube und Co. die Nase vorn, da sie auch inhaltlich gut mit einer Spiele-Plattform harmonieren werden. Auf Youtube exisiteren bereits diverse Angebote, die sich entweder direkt durch Livestreams oder indirekt durch ihre Inhalte aufs Gaming beziehen.

Dennoch ist eine gute Infrastruktur nicht alles. Den Kern machen immer noch gute Spiele-Titel aus, denn das ist es, was die Gamer wollen. Hierauf wird sich der Kampf zwischen Google, Microsoft, Sony und Co. konzentrieren. Es dürfte klar sein, dass alle Konzerne massiv Geld in die Hand nehmen werden, um jeweils möglichst viele Entwickler an sich zu binden.

Angesichts des wahrscheinlichten Modells eines Abos für die Nutzung der Plattfomen ist die Frage nach der Gewinnbeteiligung der Entwickler ein Hauptkriterium. Vollpreistitel kosten heutzutage für Computer bis zu 60 Euro, auf der Konsole sind es 70 bis 80 Euro. Bei einem Abo-Modell dürfte es wahrscheinlich sein, dass die Endnutzer die einzelnen Spieletitel dann nicht auch noch separat kaufen müssen. Wie werden die Entwickler dann beteiligt? Ein Lizenz-Modell oder eine Bezahlung nach gespielten Minuten wie bei „Apple Arcade“ wäre denkbar.

Angesichts des wahrscheinlichen Konkurrenzkampfes unter den Plattformern um die besten Titel dürften sich die Spieleentwickler aber keine Sorgen wegen der Gewinnbeteiligung machen und vorerst zu den größten Gewinnern der Cloud-Entwicklung zählen. Langfristig könnte jedoch auch eine Monopolstellung des siegreich hervorgehenden Plattform-Anbieters drohen und die Gewinnbeteiligung drücken.

Von Alexander Mayer mit dpa-AFX

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Titelfoto: achinthamb / Shutterstock.com

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