Heidelberger Druck: Unternehmen nutzt Coronakrise zum erneuten Umbau – Anleger greifen wieder zu

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Die angeschlagene Heidelberger Druckmaschinen AG baut erneut um. Um die Kosten zu senken und die Profitabilität zu verbessern, will das Unternehmen unter anderem verlustbringende Produkte einstellen und bis zu 2000 Stellen weltweit abbauen. Heidelberger Druck wage den „Befreiungsschlag“, sagte Vorstandsvorsitzender Rainer Hundsdörfer in einer Telefonkonferenz am Mittwoch. Künftig solle die Konzentration auf der Profitabilität und nicht mehr auf dem Umsatzwachstum liegen. Dazu stellt der Konzern seine Finanzierung neu auf.

Der Aktie verliehen die Ankündigungen Rückenwind. Das Papier legte am Morgen zwischenzeitlich um mehr als 20 Prozent zu. Am späten Vormittag lag das Plus immer noch bei gut 15 Prozent. Ein Händler wertete die Restrukturierung mit dem Fokus auf die Profitabilität, vor allem aber die Rückführung liquider Mittel positiv. Dadurch würden Sorgen hinsichtlich des kurzfristigen Überlebens des Konzerns beseitigt. Dieser Schritt bringe die Nettoschulden der Nullgrenze nahe, erläuterte Stefan Augustin vom Analysehaus Pareto. Auch er ist der Ansicht, dass dies dem Unternehmen die zuletzt in Frage gestellte Zukunft sichert. Der Druckmaschinenbauer steht an der Börse schon länger unter Druck. Erst am Dienstag war die Aktie im Verlauf auf ein Rekordtief von 0,483 Euro gefallen.

Der Fokus soll künftig auf das Kerngeschäft Verpackungsdruck mit Schwerpunkt auf die Digitalisierung liegen, teilte das Unternehmen Dienstagabend mit. Insgesamt will sich Heidelberger Druck von Produkten mit einem Verlust von insgesamt 50 Millionen Euro trennen. Betroffen ist die Digitaldruckmaschine Primefire sowie eine Maschine für das Großformat im Bogenoffsetdruck, die bis spätestens Ende 2020 eingestellt werden sollen. Beide Maschinen werden am Hauptstandort Wiesloch produziert. Sie seien zu teuer und rechneten sich nicht, obwohl sie technologisch weit vorne seien, so Hundsdörfer. Vor allem die Digitaldruckmaschine „Primefire“ sei alleine nicht zu stemmen. Im Digitaldruck will sich der Konzern künftig auf die Partnerschaft mit der japanischen Ricoh konzentrieren, zudem sucht Heidelberger Druck weitere Partner.

Der Abbau der Stellen solle so sozialverträglich wie möglich gestaltet werden, etwa durch Altersteilzeit und Freiwilligenprogramme, erklärte der Konzernchef. Wie sich der Abbau verteilt, wollte der Manager nicht sagen. Am Standort Wiesloch gibt es einen Kündigungsschutz bis 2022.

Durch die Konzentration auf das rentable Kerngeschäft und die Kostensenkungen soll eine Verbesserung des operativen Ergebnisses (Ebitda) ohne Restrukturierungsergebnis von 100 Millionen Euro realisiert werden. Das Maßnahmenpaket dürfte das Geschäftsjahr 2019/20 mit insgesamt rund 300 Millionen Euro belasten.

Diese Einmalaufwendungen sowie das sich wegen der Corona-Pandemie zunehmend verschlechternde wirtschaftliche Umfeld werden dem Unternehmen zufolge das laufende Geschäftsjahr 2019/20 deutlich stärker beeinträchtigen als bislang erwartet. So müsse damit gerechnet werden, dass der Umsatz deutlich unter dem Vorjahreswert von rund 2,5 Milliarden Euro liegen werde und damit die bisher prognostizierte Bandbreite des operativen Ergebnis (Ebitda) ohne Restrukturierungsergebnis und ohne den Einmalertrag aus dem Verkauf von Aktivitäten von 5,5 bis 6,0 Prozent nicht mehr erreicht werden könne. Heidelberger Druck hat in diesem Geschäftsjahr die Ziele nun mehrfach gesenkt.

Inklusive der Belastungen aus der Neuausrichtung dürfte der Konzern einen Nachsteuerverlust in Höhe der Restrukturierungsaufwendungen von 300 Millionen Euro verzeichnen, hieß es. Substanzielle positive Effekte aus dem Umbau erwartet das Management erst ab 2021/22. Das kommende Geschäftsjahr werde ein „Übergangsjahr“, in dem unter dem Strich nochmals ein Verlust anfallen könnte.

Die Neuausrichtung sei ein „einschneidender Schritt“ für Heidelberger Druck, so Hundsdörfer. Er sei jedoch notwendig, um das Unternehmen wieder in die „Erfolgsspur“ zu bringen. Heidelberger Druck hat in den vergangenen Jahren im Zuge der Digitalisierung der Druckindustrie bereits mehrere tiefgreifende Restrukturierungen hinter sich gebracht.

Der Konzern will seine Liquidität deutlich verbessern. Um die Restrukturierung zu finanzieren und die finanzielle Stabilität zu erhöhen, will Heidelberger Druck einen Teil der Liquiditätsreserven von rund 375 Millionen Euro aus dem Treuhandvermögen des 2005 gegründeten Heidelberg Pension-Trust zurückführen. So will das Unternehmen seine Finanzierungsstruktur durch den Abbau von Verbindlichkeiten deutlich verbessern, insbesondere durch die vorzeitige Rückführung einer Hochzinsanleihe mit einem Volumen von 150 Millionen Euro.

„Wir befreien uns in einem Schritt von der drückenden Schuldenlast und können gleichzeitig in den kommenden 18 Monaten die notwendige operative Neuausrichtung konsequent umsetzen“, sagte Finanzvorstand Marcus Wassenberg. „Damit machen wir uns kurzfristig krisenfest und verbessern die Profitabilität deutlich.“ Das Finanzierungskonzept werde von den Arbeitnehmervertretern und der Gewerkschaft sowie auch von allen kreditgebenden Banken mitgetragen.

Redaktion onvista / dpa-AFX

Foto: nitpicker/shutterstock.com

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