Ist Goethes Faust II ein Plädoyer gegen Geldschöpfung?
Johann Wolfgang von Goethe lässt im zweiten Teil seines Faust Mephisto einen teuflischen Papiergeldplan aushecken, um die Finanznöte des Kaisers vorläufig zu lösen. Das Ergebnis ist Inflation. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann und der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Otmar Issing, machten daraus auf der Frankfurter Goethe-Festwoche ein Plädoyer gegen den Missbrauch des „Geldschöpfungsmonopols“ der Zentralbanken.
Beide betreiben Geschichtsklitterung und Desinformation durch Auslassung. Andernfalls würden andere Lehren folgen, wie etwa: Es empfiehlt sich, weder dem Teufel noch einem gesuchten Mörder und professionellen Glücksspieler die Verantwortung für das Geldsystem zu übertragen. Goethe dürfte Mephistos Papiergeldplan nach demjenigen des aus England vor der Justiz geflohenen Glücksspielers John Law modelliert haben.
Dieser hatte im frühen 18. Jahrhundert die Finanznot des französischen Königs durch Papiergeldemission vorübergehend behoben. „Schaut man in der Historie zurück, wurden staatliche Notenbanken früher oft geschaffen, um den Regenten möglichst freien Zugriff auf scheinbar unbegrenzte Finanzmittel zu geben“, stellt Weidmann fest.
Allein, die wichtigsten frühen Zentralbanken, wie die Schwedische Reichsbank, die Bank von England und die Vorläufer der heutigen US-Zentralbank, waren keine staatlichen, sondern private Banken. Der britische König musste der privaten Bank von England hohe Zinsen für das Geld bezahlen, das diese als Banknoten, also Schuldscheine, aus dem Nichts schuf.
Das US-Parlament entzog den von privaten Bankiers geführten Vorläufern der Federal Reserve immer wieder die Lizenz, weil die Volksvertreter nicht einsahen, dass Privatleute an der Bereitstellung des nationalen Zahlungsmittels üppig verdienen sollten. Auch John Laws geldschaffende Banque Generale war eine Privatbank.
Er konnte sich das Geldschöpfungsprivileg von der Regierung sichern, weil er durch eine von ihm selbst angefachte Spekulationsblase, die Mississippi-Blase, steinreich geworden war. Noch heute wird das weitaus meiste Geld, nämlich das Giralgeld auf unseren Bankkonten, von privaten Banken geschaffen, nicht von der staatlichen Zentralbank. Das geht, weil der Staat solches ungedeckte Bankengeld als Zahlungsmittel akzeptiert.
Es gibt in Wahrheit kein Geldschöpfungsmonopol der Zentralbanken. Dennoch schaffen es Weidmann und Issing, private Banken und ihre Rolle im Geldschöpfungsprozess mit keinem Wort zu erwähnen. Denn das würde statt der ihren die These nahelegen: Wenn Banken mit selbst geschaffenem Geld Kreditblasen erzeugen und mit dem dadurch gewonnenen Reichtum die Politik vereinnahmen können, tut das der Finanzstabilität nicht gut. Aber das geht über Faust II hinaus.