Italien: EU-Strafverfahren soll vermieden werden – Salvini provoziert weiter

onvista · Uhr

Bei einem Krisentreffen zum Schuldenstreit mit der Europäischen Union (EU) haben sich Italiens Koalitionschefs nach Angaben des parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte auf das Ziel verständigt, ein EU-Strafverfahren zu vermeiden. Er und seine beiden Stellvertreter, Lega-Chef Matteo Salvini und der 5-Sterne-Vorsitzende Luigi Di Maio, würden mit Wirtschaftsminister Giovanni Tria zusammenkommen, um dazu eine Strategie auszuarbeiten, erklärte Conte in der Nacht zum Dienstag. Allerdings hatte Salvini vor dem Treffen wieder weitere Giftpfeile Richtung Brüssel abgeschossen.

Bei einem Wahlkampfauftritt verkündete Salvini ein weiteres Mal, was er von der Einmischung in die italienische Haushaltspolitik hält: „Wenn mein Sohn hungrig ist und mich bittet, ihm etwas zu essen zu geben, und Brüssel sagt: ‚Nein, Matteo, europäische Regeln verpflichten dich, deinem Sohn nichts zu essen zu geben‘, denkt ihr, dass ich mich dann an die Regeln aus Brüssel halte oder dass ich ihm etwas zu essen gebe? Meiner Meinung nach steht mein Sohn an erster Stelle, und meine Kinder sind 60 Millionen Italiener.“

Keine Einigung - Keine Regierung mehr?

Der italienische Regierungschef Giuseppe Conte hat gewarnt, dass ein Defizit-Strafverfahren der EU das Ende seiner Regierung bedeuten könnte. „Wenn es nicht so ist wie im Dezember (als ein Strafverfahren abgewendet wurde), riskieren wir alle, nach Hause gehen zu müssen. Ich werde mit Sicherheit nach Hause gehen“, sagte er der Zeitung „Corriere della Sera“ (Montag). Ein Strafverfahren müsse vermieden werden, weil dies Italiens Kreditwürdigkeit beeinträchtigen und Turbulenzen auf den Finanzmärkten auslösen würde.

Conte bei Strafverfahren auf jeden Fall weg

„Ich kann und möchte nicht die Verantwortung dafür übernehmen, das Land überflüssigen Risiken auszusetzen“, ergänzte der parteilose Conte. Seine Äußerungen wurden als Warnung vor allem an Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini von der rechten Lega gesehen, der wiederholt signalisiert hatte, sich nicht an EU-Vorgaben halten zu wollen. Conte appellierte an Salvini und an den anderen Vize-Regierungschef, Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung, mit Brüssel verhandeln zu dürfen.

Die EU-Kommission hatte wegen der hohen italienischen Staatsverschuldung ein Verfahren gegen das Land empfohlen. Nun müssen sich die EU-Staaten mit der Sache befassen. Am Ende könnten Strafen in Milliardenhöhe stehen. Die EU-Kommission und Italien lagen bereits im vergangenen Jahr monatelang in dieser Sache über Kreuz. Im Dezember hatten die Beteiligten ein Strafverfahren dann aber zunächst abgewendet, weil Rom nach Ansicht Brüssels damals ausreichende Zugeständnisse gemacht hatte.

Wegen des steigenden Schuldenbergs droht die EU-Kommission Italien mit einem Strafverfahren. Die Verbindlichkeiten des Landes belaufen sich auf mehr als 130 Prozent seiner Wirtschaftsleistung, während die EU-Regeln maximal 60 Prozent gestatten. Laut EU-Kommission wird sich das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung dieses und nächstes Jahr noch weiter verschlechtern. Bereits Ende 2018 war das chronisch wachstumsschwache Land nur knapp einem Strafverfahren aus Brüssel entgangen.

Von Markus Weingran

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Foto: ESB Professional / Shutterstock.com

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