Japanischer Riese NEC schluckt Schweizer Bankensoftwarefirma Avaloq

Reuters · Uhr

Zürich/Tokio (Reuters) - Das Schweizer Bankensoftware-Unternehmen Avaloq wechselt in einem Milliarden-Deal erneut den Besitzer.

Der japanische Elektronikkonzern NEC legt für Avaloq rund 2,05 Milliarden Franken auf den Tisch, wie das Zürcher Unternehmen am Montag mitteilte. Damit machen die bisherigen Besitzer Kasse: Als der Finanzinvestor Warburg Pincus im Frühjahr 2017 eingestiegen war, belief sich der Firmenwert noch auf gut eine Milliarde Franken. Die New Yorker Private Equity-Gesellschaft hält inzwischen 45 Prozent an Avaloq, der Rest verteilt sich auf Firmengründer Francisco Fernandez sowie weitere Manager und Mitarbeiter. Die Transaktion soll bis April 2021 abgeschlossen sein.

Avaloq beliefert über 150 Institute wie die Deutsche Bank, die britische HSBC oder die Schweizer Vontobel mit Software. Während das Fintech bisher vor allem auf das Geschäft mit vermögenden Privatkunden gesetzt habe, wolle Avaloq den Banken nun verstärkt Technologie zur Verfügung stellen, mit denen sie auch Kleinkunden digital betreuen könnten. Dies eröffne den Vermögensverwaltern ein neues Geschäftsfeld. Mit Hilfe von NEC wolle Avaloq zudem in neue Märkte vorstoßen. "NEC wird dazu beitragen, unsere geographische Präsenz auf der ganzen Welt weiter auszubauen", erklärte Firmenchef Jürg Hunziker.

2019 erwirtschaftete Avaloq mit gut 2000 Mitarbeitern einen Rekordumsatz von 609 Millionen Franken und fuhr ein bereinigtes operatives Ergebnis von 97 Millionen Franken ein. Rund 70 Prozent des Geschäfts macht die Firma in Europa. Die vor allem in der Netzwerktechnologie tätige NEC ist mit rund 113.000 Angestellten um ein Vielfaches größer. Der Konzern wurde in der vergangenen Dekade mit dem Verkauf des Halbleiter-, Computer- und Mobiltelefon-Geschäfts umgekrempelt. Mit Avaloq will der Riese das Online-Geschäft japanischer Institute auf Vordermann bringen. "Japan hinkt bei der Digitalisierung des Finanzwesens hinterher, und dies wird ein großer Trend sein", sagte NEC-Chef Takashi Niino auf einer Pressekonferenz.

Das 1899 als Nippon Electric Company gegründete Traditionsunternehmen betreibt in Heidelberg und an anderen Orten Forschungszentren, mit denen Avaloq zusammenarbeiten soll. NEC forsche etwa in den für die Zukunft des Bankgeschäfts wichtigen Bereichen Biometrie, künstliche Intelligenz und Blockchain. Die Übernahme werde bei Avaloq nicht zu einem Personalabbau führen.

"Wir glauben, dass Avaloq dank NEC als starkem internationalen Eigner das Vertrauen von Banken bezüglich einer nachhaltigen Strategie stärken kann", erklärte ZKB-Analyst Andreas Müller. Vor allem in Japan müsse der Konkurrent Temenos nun mit einem intensiveren Wettbewerb rechnen, so der Analyst. Die Temenos-Aktien gaben an der Börse leicht nach. Das Genfer Unternehmen verdient vor allem am Verkauf von Lizenzen, während Avaloq mehr auf die Auslagerung von Dienstleistungen setzt. Temenos erzielt zwar rund die Hälfte mehr Umsatz als Avaloq, ist an der Börse aber fast neun Milliarden Franken wert.

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