Kritik an Ramelow wegen Aufhebung von Corona-Beschränkungen

Reuters · Uhr

Berlin (Reuters) - Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow erntet Kritik für seine Ankündigung, die allgemeinen Corona-Beschränkungen in dem Bundesland ab 6. Juni aufzuheben.

"Das ist ganz klar ein Fehler, denn wir haben keine Neuigkeiten in Bezug auf die Gefährlichkeit des Virus", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der "Saarbrücker Zeitung" (Montagausgabe). Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil reagierte skeptisch. Bei den neuen Corona-Ausbrüchen in einer Baptisten-Gemeinde in Frankfurt und einem Restaurant im ostfriesischen Leer erhöhten sich unterdessen die Fallzahlen. "Stand jetzt haben sich mindestens 107 Personen mit Wohnsitzen in Frankfurt und drei weiteren hessischen Landkreisen infiziert", erklärte der hessische Gesundheitsminister Kai Klose. In Leer stieg die Zahl der Infektionen Medienberichten zufolge auf zwölf.

Für ganz Deutschland meldete das Robert-Koch-Institut am Sonntag 431 Neuinfektionen. Damit steige die Gesamtzahl der nachgewiesenen Ansteckungen auf 178.281. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich binnen 24 Stunden um 31 auf 8247. Die Zahl der nachweislich Genesenen liegt dem RKI zufolge bei etwa 160.300, rund 500 mehr als am Vortag.

Der SPD-Politiker Lauterbach bemängelte, Ramelow stelle genau die Maßnahmen in Frage, denen der aktuelle Erfolg zu verdanken sei. Er relativiere die Krankheit damit. Die Sterblichkeit sei gerade bei älteren Menschen hoch, und es blieben oft Spätschäden zurück. Zudem gebe es weder ein wirksames Medikament noch eine Impfung. "Von daher gibt es überhaupt keinen Grund das aufzuheben, was wir mühsam gelernt haben – etwa Abstand zu halten und eine Maske zu tragen".

Skeptisch äußerte sich auch Weil. "Die Vorgänge in Leer und in Dissen zeigen, dass wir nach wie vor sehr vorsichtig sein und die Vorgaben beachten müssen", sagte der SPD-Politiker der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung". "Das Coronavirus ist keineswegs aus der Welt, und deshalb wollen wir in Niedersachsen auch weiterhin die Lockerungen nur Schritt für Schritt ausweiten ohne den Bogen zu überspannen." Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt zeigte sich ebenfalls besorgt. "Die Länder sind in der Pflicht, immer wieder zu überprüfen, ob ihre Regeln geeignet sind, die Bürgerinnen und Bürger zu schützen, oder angepasst werden müssen", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Ramelow verteidigte seine Pläne. "Das Motto soll lauten: Von Ver- zu Geboten, von staatlichem Zwang hin zu selbstverantwortetem Maßhalten", sagte der Linkspolitiker der "Bild am Sonntag". Die bisherigen Regelungen seien im März auf der Grundlage von Schätzungen von 60.000 Infizierten beschlossen worden. "Jetzt haben wir aktuell 245 Infizierte. Der Erfolg gibt uns mit den harten Maßnahmen recht, zwingt uns nun aber auch zu realistischen Konsequenzen und zum Handeln", sagte Ramelow. "Das heißt: Für Thüringen empfehle ich die Aufhebung der Maßnahmen." Statt allgemeiner Auflagen für Mundschutz, Mindestabstand und Kontaktbeschränkungen sollen in Thüringen künftig nur noch lokale Einschränkungen in Kraft treten, wenn in einer Region eine bestimmte Infektionsrate überschritten wird.

"ES SOLLEN HÄNDE GESCHÜTTELT WORDEN SEIN"

Die Corona-Ausbrüche in Frankfurt und Leer weiteten sich unterdessen aus. "Diese Situation zeigt, wie wichtig es ist, dass wir alle - gerade während der Lockerungen, die jetzt wieder möglich gemacht werden - wachsam bleiben und nicht leichtsinnig werden", sagte Hessens Gesundheitsminister Klose. "Das Virus ist weiterhin da und will sich verbreiten. Unser bester gemeinschaftlicher Schutz ist das Einhalten der Hygiene-, Abstands- und Mund-Nasen-Schutz-Regeln".

In Leer kündigte Landrat Matthias Groote im Zusammenhang mit dem Ausbruch bei der Wiedereröffnung eines Restaurants ein Ordnungswidrigkeitsverfahren an. Es gebe Zeugenaussagen, wonach die Kontaktbeschränkungen missachtet worden seien. "Es sollen Hände geschüttelt worden sein. Es soll auch zu Umarmungen gekommen sein", sagte Groote dem Sender n-tv. "Ein Mitarbeiter des Restaurants soll sich auch an die Tische gesetzt haben ohne Mund-Nasen-Schutz." Mehr als 100 Menschen befinden sich in Quarantäne.

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