Kutzers Zwischenruf: Börsen signalisieren die positive Seite der Krise

Hermann Kutzer · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Inflationsangst erst einmal zurückgestellt, erfreuliche Berichte aus der Wirtschaft, Aktienmärkte auf neuen Höchstständen. Wie passt das zusammen? Auch wenn die These abgegriffen sein mag, es hat etwas mit „Krise als Chance“ zu tun. Das spiegelt auch die Börse wider. Kein Wunder, denn die nach wie vor Rendite suchende Liquidität fließt ins Risikokapital - also in Aktien als Unternehmensbeteiligung.

„Ifo-Geschäftsklimaindex deutlich gestiegen“ ist keine Standard-Headline über einem Monatsbericht mit trivialem Inhalt. Er ist vielmehr die bemerkenswerte Bestätigung für die Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nach dem schlimmen Corona-Jahr 2020 und zuletzt zwei schwachen Quartalen. Die Münchner Forscher begleiten die jüngsten Umfrageergebnisse dementsprechend auch mit starken Worten: Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft hat sich merklich verbessert. Der Geschäftsklimaindex ist im Mai auf 99,2 Punkte gestiegen, nach 96,6 Punkten im April. Dies ist der höchste Wert seit Mai 2019. Die Unternehmen waren zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Zudem blicken sie deutlich optimistischer auf die kommenden Monate. Die deutsche Wirtschaft nimmt Fahrt auf. Zusätzlich ermutigend liest sich die spontane Reaktion der DZ-Bank-Volkswirte auf den Ifo-Bericht: Für das zweite und dritte Quartal zeichnet sich eine kräftige gesamtwirtschaftliche Erholung ab.

Schon vorher war bekannt, dass sich die Stimmung der europäischen Unternehmen weiter verbessert. Denn das Geschäftsklima in der Eurozone ist so gut wie seit Februar 2018 nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex - eine Umfrage, die Aufschluss über die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Monate geben soll - ist inzwischen auf 56,9 gestiegen. Bei einem Wert über 50 signalisiert diese Kennzahl eine Verbesserung der Aktivität gegenüber dem Vormonat. Deutlich verbessert hat sich die Stimmung im Dienstleistungssektor - die Kennzahl stieg auf ein 55-Monats-Hoch. Das interpretieren Analysten der Deutschen Bank folgendermaßen: Die Konjunkturerholung tritt in Europa somit in eine neue Phase, da auch die Dienstleistungsbranche vor dem Hintergrund auslaufender Lockdowns an Schwung gewinnt. Unternehmen dieses Sektors - zum Beispiel die Veranstaltungs-, die Reise- und die Tourismusindustrie - sollten also interessant bleiben.

Es sieht nicht erst heute so aus, geschätzte Anleger, als würden die Börsenbullen wieder einmal auf der Gewinnerseite stehen. Es gibt Herausforderungen für die Weltwirtschaft, die zu immer größeren Innovationsanstrengungen zwingen - man denke nur an Mega-Themen wie Klima- und Umweltschutz, Künstliche Intelligenz und Digitalisierung sowie das Gesundheitswesen. Was das im Einzelnen bedeutet, werden wir in den kommen Jahren sehen. Hersteller von Autos und anderen Verkehrssystemen liefern jetzt schon eindrucksvolle Innovationsbeispiele. Nur sollte der Blick auf die positiven Folgen der pandemischen Krise nicht dazu führen, dass Investoren die nach wie vor bestehenden Risiken ausblenden!

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