Kutzers Zwischenruf: Börsenprognosen der anderen Art – Vom Fitnessstudio ins Theater

Hermann Kutzer · Uhr

Wie erwartet ist jetzt die Prognosewelle angerollt. Und es herrschen bisher (ebenfalls keine Überraschung) die moderaten Töne vor - keine Angst, aber auch keine Euphorie für 2020. Mit anderen Worten: Die Strategen der Banken und Investmentfonds bevorzugen als Stimmungsausblick für die Börsen „vorsichtig optimistisch“. Der Dax dürfte noch keine Konditionsschwäche zeigen und neue historische Hochs erklimmen, dann aber zwischen 13.000 und 14.000 Punkten verharren.

Eine Vorschau verdient wieder besondere Aufmerksamkeit, nicht nur wegen ihres Umfangs und ihrer Qualität. Es ist die Originalität, mit der das Research-Team der Helaba alljährlich drei Szenarien aufbaut und gegenüberstellt. Und das mit einfallsreichen bildhaften Vergleichen. Vor einem Jahr hatten sich die Frankfurter „Fitnessstudio“ als Hauptszenario, „Notaufnahme“ als negatives und „Wellnessoase“ als positives Alternativszenario ausgedacht. Der diesjährige Konjunktur- und Kapitalmarktausblick entführt die Leser ins Theater: In Märkte und Trends 2020 trägt das Hauptszenario den Titel „Vorhang auf! Melodram - nächster Akt“. Daneben werden mit „Tragödie“ und „Komödie“ Alternativszenarien beschrieben, die eine schlechtere, aber auch eine deutlich bessere wirtschaftliche Entwicklung beleuchten und die möglichen Konsequenzen für die Kapitalmärkte erläutern.

Was erwarten die Analysten jetzt in ihrem Hauptszenario, dem man die größte Wahrscheinlichkeit gibt? Aktien werden sich wohl auch 2020 im Spannungsfeld hoher Bewertung und dem Mangel an Anlagealternativen bewegen. Bei einer zu erwartenden Verbesserung der Wachstumsaussichten werden Anleger vermutlich das Risiko dem Renditekalkül unterordnen. Dabei kann es zeitweilig durchaus zu Übertreibungen kommen. Ein Ausflug des Dax über die Marke von 14.000 Punkten dürfte sich aber als nicht nachhaltig erweisen. Gegen Jahresende wird er voraussichtlich im Bereich um 13.500 Punkte notieren.

Die Anlageklasse Immobilien bleibt laut Landesbank-Vorhersage bei extrem niedrigen Zinsen relativ attraktiv. Allerdings könnte die jüngste wirtschaftliche Schwäche dafür sorgen, dass Mieten und Kaufpreise 2020 etwas weniger dynamisch zulegen. Am deutschen Wohnungsmarkt dürfte sich die Lage nicht entspannen, solange restriktive politische Maßnahmen die Neubautätigkeit belasten. Und Edelmetall? Die geldpolitische Kehrtwende katapultierte Gold im Sommer 2019 über 1.500 US-Dollar je Feinunze, den höchsten Wert seit 2013. Seitdem hält sich der Goldpreis etwa auf diesem Niveau. Der weltweite Renditerutsch an den Rentenmärkten sorgte dafür, dass die Opportunitätskosten für Gold gesunken sind. Davon profitiert das Edelmetall voraussichtlich auch 2020. Im Jahresverlauf dürfte Gold weitere Erfolge feiern und bis auf 1.700 Dollar steigen. In unserer Währung ergibt sich daraus aufgrund der Wechselkursentwicklung aber lediglich eine Seitwärtsbewegung um 1.400 Euro je Unze.

Ob es so kommt wie in diesem Szenario begründet, bleibt mindestens solange fraglich, wie hinter den wichtigsten politischen und weltwirtschaftlichen Voraussetzungen dicke Fragezeichen stehen. Erfahrungsgemäß werden die Finanzmärkte auch nicht selten durch überraschende Entwicklungen in andere Richtungen als vorhergesagt gelenkt. 2019 ist ein solcher Jahrgang, denn er war so von den meisten Strategen nicht erwartet worden. Vergessen Sie nicht, geschätzte Anleger, wie unberechenbar die politischen Einflüsse sind!

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