Kutzers Zwischenruf: Der Fall Wirecard wird noch mehr Aktionäre abschrecken

Hermann Kutzer · Uhr

Egal, was in der Causa Wirecard noch herauskommen mag - sie ist bereits ein dramatisches Stück von historischer Qualität geworden. Und wer von Ihnen lange genug dabei ist, geschätzte Anleger, wird sicher (wie ich) an die späten 1990er Jahre mit dem Platzen der sogenannten Dotcom-Blase im März 2000 erinnert. Es bedarf keiner Ursachenforschung oder Schuldzuweisung, um zu ahnen, dass der Fall Wirecard mit seinem lauten Medienecho der ohnedies immer noch stark unterentwickelten „Aktienkultur“ (das Wort verbietet sich im Land der Falschsparer eigentlich) schaden wird. Da nutzt auch wenig der altbekannte Hinweis, wonach Chancen und Risiken stets zwei Seiten einer Medaille sind, also gemeinsam bestehen. Lernen werden viele unerfahrene Privatanleger allenfalls, dass aus überdurchschnittlichen Renditen auch überdurchschnittliche Verluste werden können und man Kursrisiken durch geeignete Maßnahmen (z.B. Stop-loss) begrenzen sollte.

Dennoch: Auch das ist ein Element der Finanzmärkte. Spekulation gehört zur Börse. Und ähnlich wie vor 20 Jahren wird jetzt geschimpft, getobt und beschuldigt. Nur sollten die Anleger selbst in kritischen Betrachtungen nie ganz ausgenommen werden. Ohne bereits alle Aspekte zu kennen - Fälle ähnlich wie Wirecard gab es immer wieder einmal und wird es auch in Zukunft geben. Wieso das? Nun, wo viel Geld verdient werden kann, ist die menschliche Gier nicht weit.

Das Thema sorgt natürlich zur falschen Zeit für Schlagzeilen - aber gibt es eine geeignete Zeit? „Falsch“ deshalb, weil schon der bisherige, höchst spektakuläre Jahresverlauf mit Pandemie und Rezession mutmaßlich zu einem weiteren Rückgang der Aktionärszahlen in Deutschland führen wird. Trotz Null-Zinsen werden viele Bundesbürger jetzt noch mehr Cash auf Bankkonten oder in den Matratzen horten. Das bedeutet, breite Aktienförderung als sinnvolles Langfrist-Investment wird noch schwieriger als in der Vergangenheit. Vor wenigen Tagen erst hat das rührige Deutsche Aktieninstitut (DAI) von der Politik neue kapitalmarktpolitische Impulse gefordert. Begründung: Starke Kapitalmärkte zur Finanzierung von Unternehmen sind gerade in Krisenzeiten ausschlaggebend. Die Finanztransaktionssteuer, die aktuell in Form einer Aktiensteuer diskutiert wird, verteuert den Kauf von Aktien und macht diesen unattraktiver. Dieser Effekt geht zulasten von Anlegern und Unternehmen. Vermögensaufbau und Altersvorsorge werden belastet und die Unternehmensfinanzierung über die Börse erschwert. Das Deutsche Aktieninstitut fordert deshalb von der Bundesregierung, die geplante Finanztransaktionssteuer auf europäischer und nationaler Ebene endlich ad acta zu legen. Ja, das wäre zu wünschen! Außerdem gibt es für die Europa-Politiker wichtigeres zu tun.

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