Kutzers Zwischenruf: Keine Angst vor hohen Aktienkursen!

Hermann Kutzer · Uhr

Während an der Wall Street immer wieder neue Rekorde markiert werden, fehlen dem Dax zum Allzeithoch immer noch ein paar Punkte. In dieser Woche stehen die Chancen auf Höchstmarken aber gut, glaubt jedenfalls die Mehrheit der Börsianer, wobei man gerade bei uns inzwischen spürt, dass die Luft dünner geworden ist. Auch ungeachtet der Crash-Warnungen einzelner Katastrophen-Propheten stellt sich insbesondere älteren Privatanlegern die Frage, ob ihnen nicht ähnlich bittere Erfahrungen wie nach dem Frühjahr 2000 drohen, als der völlig aus den Fugen geratene, total überhitzte Börsen-Hype jäh endete (Neuer Markt, T-Aktie). Zur Erinnerung: In den späten 1990er Jahren sprangen die Aktienindizes mehrmals um über 30 oder gar 40 Prozent p.a.!

Gewiss, in dieser verrückten Welt der Digitalisierung und Globalisierung sollte man grundsätzlich nichts ausschließen. Doch braucht man nicht die einzelnen Elemente der Veränderungen im Börsenumfeld zu zerlegen, um zu erkennen, dass heute von einem „Hype“ ähnlich dem vor 20 Jahren keine Rede sein kann. Das gilt selbst für den Fall, dass sich die vorsichtigen Hoffnungen auf eine Wiederbelebung der lahmenden Weltwirtschaft 2020 (noch) nicht erfüllen sollten. Geblieben ist die Rolle der Wall Street (und damit die Bedeutung der US-Wirtschaft) als Leitbörse der Welt - aber nicht mehr allein. Denn die gegenseitigen internationalen Abhängigkeiten sind spürbar gewachsen. Deshalb auch das enorme Gewicht des amerikanisch-chinesischen Zollkonflikts oder die erschrockene Börsenreaktion heute Vormittag auf die Ausbreitung des neuen Virus im Reich der Mitte.

Trotz aller Vorsicht, die das Gros der aktuellen Marktanalysen und -prognosen noch beherrscht, setzt sich auch bei uns zunehmender Optimismus durch, wie die monatliche Erhebung des ZEW unter fast 200 Analysten und institutionellen Investoren belegt: „Die Konjunkturerwartungen für Deutschland steigen zu Beginn des neuen Jahres abermals erheblich an.“ Der neue Wert der Konjunkturerwartungen für Januar liegt bei 26,7 Punkten. Dies sind 16,0 Punkte mehr als im Dezember des Vorjahres. Der Indikatorwert erreicht damit den höchsten Wert seit Juli 2015. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland hat sich in der aktuellen Umfrage ebenfalls erheblich verbessert.

Das stärkt die Zuversicht, dass auch Dax & Co. neue Gipfel erklimmen können. Dennoch lehrt die Erfahrung, dass es darauf ankommt, wachsam zu bleiben und eine Strategie der Verlustabsicherung zu verfolgen. Außerdem sollten Sie sich darauf einstellen, geschätzte Anleger, dass die stark uneinheitliche Kursentwicklung nach Themen, Branchen und Einzelwerten anhalten wird. Die viel kritisierte Null-Zinspolitik der Notenbanken bleibt die wichtigste Stütze für die Aktienmärkte. Also bitte keine Gier wie vor 20 Jahren, aber auch keine Angst vor hohen Aktienkursen!

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