Neue Impulse für die Energiewende

HANDELSBLATT · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Vom 41. Stock im Operntum ließe sich Frankfurt gut überschauen - läge da nicht dieser trübe weiße Schleier über Teilen der Stadt. Die Finanzhauptstadt Deutschlands ist in Nebelschwaden gehüllt.

Es hätte keinen besseren Tag für das erste Treffen des Vorstands der Energy Academy, dem neuen vom Handelsblatt und General Electric initiierten Think-Tank für die Energiewirtschaft, geben können. Denn derzeit ist es mit der Energiewende ein wenig so wie mit dem Wetter an diesem Tag. Von oben sieht alles noch überschaubar aus, aber geht man ins Detail, legt sich ein Schleier über das Blickfeld, es wird plötzlich unscharf, und man verliert die Orientierung.

Die Energy Academy soll 70 Experten aus Wirtschaft, Forschung und Politik zusammenbringen, um sich über die Zukunft der Energiewirtschaft auszutauschen. Und Grund genug zur Diskussion gibt es allemal. „Wir haben den Fokus der Energiewende verlassen. Wir bewegen uns heute auf Nebenkriegsschauplätzen“, klagt Stephan Reimelt, Vorsitzender des Acadamy-Vorstands und Chef von GE Energy Deutschland, während des ersten Round-Table-Gesprächs. Mit am Tisch sitzen Matthias Wendel, Deutschand-Chef des dänischen Versorgers Dong, Olaf Heil, bei RWE zuständig für neue Technologien, Georg Erdmann, Professor für Energiesysteme an der Technischen Universität Berlin, Jens Raschke, Partner der Unternehmensberatung Bearing Point, und Kai-Uwe Pirweck, Geschäftsführer des Leuchtenherstellers Zumtobel in Deutschland.

„Wir diskutieren heute in Deutschland fast nur noch über die Kosten“, sagt Reimelt weiter. Das eigentliche Ziel, den Umbau der Energiewirtschaft, sei dabei aus den Augen verloren gegangen.

Und tatsächlich, in den vergangenen Wochen las man vor allem von Zahlen, die die finanziellen Belastungen durch die Energiewende wiedergeben sollen. Umweltminister Peter Altmaier etwa schätzte die Ausgaben für die Energiewende bis 2030 auf eine Billion Euro. „Wir schauen jetzt zum ersten Mal der Wahrheit ins Auge“, sagt Energie-Professor Erdmann. Früher sei behauptet worden, dass die Energiewende nichts koste, das habe sich inzwischen geändert.

„Wir müssen sehen, dass wir da noch Schritt halten können“

„Diese Blaupause können wir in keiner anderen Volkswirtschaft umsetzen“, betont Reimelt die Einzigartigkeit der German Energiewende. Selbst wer sich auf Englisch darüber unterhält, kommt nicht umhin, das deutsche Wort für die beispiellose Umstellung der Energieversorgung eines ganzen Landes zu beschreiben. „Das kann sich kein anderes Land leisten.“

Aber die Teilnehmer sind sich auch einig, dass sich Deutschland im Nebel verirren und die Führungsrolle verlieren könnte. „Deutschland muss sich wieder auf seine Innovationskraft besinnen“, fordert Zumtobel-Manager Pirweck. Doch mit welchem Geld? Die Gewinne der großen deutschen Energiekonzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW sind mit dem Atomausstieg abgerutscht. Alle drei haben infolge dessen ihre Investitionen gekürzt, auch im Bereich der erneuerbaren Stromquellen. „Zur Innovationsfähigkeit gehört eben auch, dass man die entsprechende Investitionsfähigkeit hat, und das ist das, was vielen Energieunternehmen heute fehlt“, sagt RWE-Manager Heil. Er sieht die Gefahr, dass Deutschland vom Ausland abgehängt wird. „Ich habe neulich eine Präsentation von State Grid of China (der staatliche chinesische Stromnetzbetreiber) gesehen: Dort arbeiten 10 000 Leute im Bereich Forschung und Entwicklung. Wir müssen sehen, dass wir da noch Schritt halten können.“

Nach der Bundestagswahl im September müsse dringend nachgesteuert werden, sind sich die Teilnehmer einig. „Eine Adjustierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) ist nötig“, sagt Bearing-Point-Partner Raschke. Energie-Professor Erdmann pflichtet ihm bei: „Wir sind im Augenblick dabei, den Markt zu verlassen und uns in einem Regulierungsdickicht zu verheddern.“ Jetzt müsse man sich überlegen, wie man Schritt für Schritt wieder zum Markt zurückkomme. „Ein erster Schritt sollte sein, dass es für neue Anlagen obligatorisch wird, dass grüner Strom direkt am Markt vermarktet wird. Und in einem zweiten Schritt sollten Anreize auch für Betreiber von älteren Anlagen geschaffen werden, so dass auch sie ihren Strom direkt vermarkten.“

Am Ende der Diskussion sieht die Luft in Frankfurt schon etwas klarer aus, auch die Sonne kommt durch. Und bei aller Kritik - grundsätzlich infrage stellt keiner das ehrgeizige Projekt. „Es wird keine Wende von der Energiewende geben“, sagt Dong-Deutschland-Chef Wendel.

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