onvista-Börsenfuchs: Rezession oder doch nicht? Die Sehschwäche der Börsianer

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr

Hallo Leute! Habt Ihr nicht auch das Gefühl, dass das Sehvermögen der Börsianer immer mehr nachlässt? Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als die Händler frühmorgens die Berichte von der Wall Street studierten, der „Leitbörse“, und sich schon dann eine eigene Meinung bildeten. Heute prasseln von morgens bis abends Infos, Analysen und Prognosen, die mehr oder weniger die Kurse bewegen (können), auf alle Akteure ein - auch eine Folge von Digitalisierung und Globalisierung. Wonach soll sich da der Privatanleger richten? Allein die Überfülle an Nachrichten verhindert oft einen klaren Blick nach vorn. Kurzfristige Tendenzen vernebeln langfristige Trends.

Echt problematisch sind die kurzfristigen Wirtschaftsindikatoren, die immer wieder schwanken und wechselhaft sind. Beispiele von heute: Nach einem deutlichen Anstieg im Vormonat sind die deutschen Exporte im Juni gesunken, im Vorjahresvergleich sogar deutlich. Das liegt vor allem an Handelskonflikten und dem drohenden ungeordneten Brexit. Und: Die französische Industrieproduktion ist im Juni deutlich stärker gefallen als erwartet. Im Mai war die Produktion noch um revidierte 2,0 Prozent gestiegen.

Nicht von ungefähr kommt es, dass der Chef-Anlagestratege der Deutschen Bank (ein Typ, der eher zum „Bullenlager“ gehört) in seinem Morgenkommentar die Frage in den Raum stellt „Droht die Rezession?“ Eine Teilantwort liefert er gleich mit: Die Anleihemärkte sprechen eine deutliche Sprache: Die Weltkonjunktur ist ins Stolpern geraten. Die langfristigen Zinsen in den USA sind seit November um 1,5 Prozentpunkte gesunken, in Deutschland und Frankreich fielen sie von bereits deutlich niedrigeren Ausgangsniveaus nochmals um gut 1 Prozent. Auch die Rohstoffmärkte signalisieren die zugenommene Rezessionsgefahr: Öl der Nordseesorte Brent erreichte mit Verlusten von über 20 Prozent seit dem Zwischenhoch im April jüngst Bärenmarkt-Territorium. Eisenerz schaffte das in nur einer Woche. Der Rücksetzer auf den Aktienmärkten wirkt vor diesem Hintergrund sehr moderat. Aktienhändler setzen auf eine Mini-Rezession ähnlich 2016 mit anschließender geld- und fiskalpolitisch getriebener Erholung. Noch kann es gut ausgehen, die Zeit läuft jedoch langsam davon.

Das klingt nicht wirklich optimistisch. Aber wir haben ja noch Fed und EZB - Börsenbullen in aller Welt setzen auf die Notenbanken, die werden das mit weiteren Geldspritzen und Zinssenkungen schon in den Griff kriegen. Aber wann und mit was für Auswirkungen auf Konjunktur und Börse? Gäbe es so etwas wie einen „Börsen-Optiker“, dann würde der wohl eher eine allgemeine Sehschwäche und nicht Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit feststellen. Profis können damit nix anfangen, die müssen ja handeln und sich selbst immer wieder korrigieren. Ihr habt’s viel leichter, meine Freunde, wenn Ihr langfristig in Aktien investiert und deshalb das Auf und Ab der Börse cool beobachten könnt. Oder einfach mal Augen zu!

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