Polen: Steinmeiers Äußerung könnte Debatte um Reparationen anstoßen

dpa-AFX · Uhr

WARSCHAU (dpa-AFX) - Polens Regierung sieht die Äußerungen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Ostseepipeline Nord Stream 2 als Anlass für eine Debatte um Reparationen für Kriegsschäden. "Wenn die Deutschen finden, dass die vom deutschen Staat im Zweiten Weltkrieg angerichteten Schäden nicht beglichen wurden, dann wurden sie in erster Linie nicht gegenüber dem Land beglichen, das im Zweiten Weltkrieg am meisten geschädigt wurde", sagte der polnische Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sek am Donnerstag dem Sender "Polskie Radio". Polen habe im Krieg ein Drittel seiner Bevölkerung und einen Teil seines Territoriums verloren.

Steinmeier hatte sich am Wochenende in den Streit um Nord Stream 2 eingeschaltet und die Pipeline mit dem Argument verteidigt, dass die Energiebeziehungen fast die letzte verbliebene Brücke zwischen Russland und Europa seien. Er wies in einem Interview der "Rheinischen Post" darauf hin, dass Deutschland dabei auch die historische Dimension im Blick behalten müsse und erinnerte an den deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. "Mehr als 20 Millionen Menschen der damaligen Sowjetunion sind dem Krieg zum Opfer gefallen. Das rechtfertigt kein Fehlverhalten in der russischen Politik heute, aber das größere Bild dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren", sagte Steinmeier. In der Ukraine hatten die Aussagen Verärgerung ausgelöst.

Polen nationalkonservative Regierungspartei PiS hat in den vergangenen Jahren die Frage der Reparationen für die von den deutschen Besatzern verursachten Kriegsschäden wieder auf den Tisch gebracht. Die Bundesregierung lehnt jegliche Reparationsforderungen ab. Für sie ist die Frage mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag über die außenpolitischen Aspekte der deutschen Einheit abgeschlossen.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki schrieb auf Twitter, er sei einer Meinung mit Steinmeier, dass die Schulden aus dem Krieg noch nicht beglichen seien. Nur sei Nord Stream 2 keine Entschädigung. "Das ist ein Handeln hinter dem Rücken der EU, das Russland die Verfolgung einer aggressiven Politik ermöglicht, die Abhängigkeit Europas verstärkt sowie der Wirtschaft und der Sicherheit schadet", kritisierte Morawiecki. Es sei Zeit, das Projekt zu stoppen./dhe/DP/men

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