ROUNDUP 2: Tui hofft auf Neustart - 8000 Jobs auf der Kippe

dpa-AFX · Uhr

(neu: Aussagen aus Telefonkonferenz zu Mittelmeer-Reisen ab Juli, Erholung im Reisegeschäft bis 2022, Staatskredit, Aktienreaktion)

HANNOVER (dpa-AFX) - Nach einem verlustreichen Winter kämpft Tui in der Corona-Krise um die Rettung der wichtigen Sommersaison 2020 und will Urlauber so bald wie möglich wieder an Ziele im Mittelmeer bringen. Wegen des steigenden Spardrucks will der größte Reiseanbieter der Welt allerdings mehrere Tausend Jobs streichen. Insgesamt bleibe die Lage mit Blick auf die kommenden Monate noch unsicher, sagte Vorstandschef Fritz Joussen am Mittwoch. "Es gibt keine Zusagen, keine Planbarkeit, wann Flugreisen und Schiffsreisen aus Deutschland wieder möglich sind." Derzeit verliert der Konzern jeden Monat eine dreistellige Millionensumme.

An der Börse konnte Tui mit den Neuigkeiten nicht überzeugen. Nach anfänglichen Kursgewinnen lag die Tui-Aktie am Morgen zuletzt mit rund 1,7 Prozent im Minus. Seit dem Jahreswechsel hat sie bereits rund drei Viertel an Wert verloren.

Ein gutes Zeichen sei, dass sich bei den für 2021 freigeschalteten Buchungen eine Verdoppelung der Nachfrage abzeichne. Eine "volle Erholung" erwartet er für das Jahr 2022. Tui hofft, im Sommer möglichst große Teile des im März fast komplett eingestellten Urlaubsgeschäfts wieder aufzunehmen. In welchen Ländern die Kunden ab wann Urlaub machen können, ist vielerorts noch unklar. Weltweit gibt es weiter Reisebeschränkungen, noch ist das Tui-Programm zu 35 Prozent ausgebucht. "Die Saison startet später, könnte dafür aber länger dauern", hofft Joussen.

Bisher sind bei Tui Deutschland alle Reisen bis 14. Juni abgesagt. Zu Zielen in Spanien und Griechenland gab sich Joussen vorsichtig optimistisch: Sofern die Infektionszahlen relativ gering blieben, gebe es "keinen Grund, dass man dort nicht hinreisen könnte". Natürlich müsse dabei der Gesundheitsschutz Priorität haben. "Der Urlaub in Europa, wenn er denn sicher ist, sollte möglich sein."

Der Tourismus gehört mit dem Luftverkehr und dem Gastgewerbe zu denjenigen Branchen, die die Pandemie am schwersten getroffen hat. Bei Tui Deutschland sei bereits viele Beschäftigte in Kurzarbeit. Der Konzern will die Verwaltungskosten nun um 30 Prozent drücken. Joussen sagte bei der Vorlage der Zahlen für das abgelaufene erste Geschäftshalbjahr in Hannover: "Weltweit wird das Auswirkungen auf rund 8000 Stellen haben, die wir nicht besetzen oder abbauen."

Der Tui-Chef hatte schon eine Verschärfung des internen Sparkurses angedeutet. Nun werden die Pläne konkret. "Die Tui soll gestärkt aus der Krise hervorgehen", erklärte er. "Aber sie wird eine andere Tui sein und ein anderes Marktumfeld vorfinden als vor der Pandemie."

Von Oktober bis März verbuchte der Konzern unter dem Strich einen Verlust von 892,2 Millionen Euro und war damit mehr als zweieinhalb Mal so tief in den roten Zahlen wie im Vorjahreszeitraum. Ab März schlug der Corona-Effekt voll auf die Branche durch. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern rutschte bei Tui um knapp 175 Prozent auf minus 828,7 Millionen Euro ab. Der Umsatz sank leicht um 0,6 Prozent auf 6,6 Milliarden Euro.

Verluste in dieser Zeit sind in der Branche an sich typisch, die Unternehmen verdienen das meiste Geld im Sommer. Dieser bringt im laufenden Jahr wegen der Viruskrise aber besondere Probleme. Flüge und Kreuzfahrten sind ausgesetzt, viele Länder haben das öffentliche Leben eingeschränkt, die Gastronomie ist ebenfalls betroffen.

Den Hotelbetrieb will Tui mit einem Zehn-Punkte-Plan schrittweise wieder aufnehmen. Dieser sieht zum Schutz vor Infektionen zum Beispiel vor, dass Kunden online einchecken können, Abstandsregeln greifen oder die Kapazitäten von Restaurants und Teilnehmerzahlen von Sport- und Unterhaltungs-Events verringert werden.

Urlaub in Deutschland dürfte bald wieder leichter möglich sein. Für Ferienwohnungen oder Campingplätze gibt es bereits Lockerungen. Ganz ohne Einschränkungen wie geringere Gästezahlen dürfte der Betrieb aber unrealistisch sein. Auf Sylt und in Mecklenburg-Vorpommern sollen die ersten Tui-Hotels in den kommenden Tagen wieder öffnen.

Das Angebot will Tui in einigen Bereichen erweitern. Eine Option: "Wir werden Mini-Kreuzfahrten machen. Wir verlegen Schiffe nach Norddeutschland." Es gehe dabei um "Kurz-Kreuzfahrten in der Nordsee mit nur 1000 Gästen auf dem Schiff, um auch hier die Sicherheit zu gewährleisten". Die Digitalisierung müsse zudem weiter vorankommen.

Joussen geht trotz der angespannten Lage insgesamt von einer Erholung aus: "Sommerurlaub in Europa kann jetzt schrittweise wieder möglich gemacht werden - verantwortungsvoll und mit klaren Regeln." Bei Geschäftsreisen erwartet er, dass die derzeitigen Erfahrungen mit Homeoffice und Videokonferenzen auch nach der Krise zu einer geringeren Nachfrage nach führen. Zu Urlaubsreisen gebe es indes kaum eine Alternative: "Was wollen Sie sonst machen? Einen Film schauen?"

Um die Liquidität zu sichern, bekommt der Konzern über die staatliche Förderbank KfW zur Überbrückung der Krise einen Kredit von 1,8 Milliarden Euro. Joussen betonte, dies sei wichtig - man müsse mit neuen Ideen aber auch eine rasche Rückkehr zu einem stabilen Geschäft sichern. "Es ist ein Kredit, es ist kein Geschenk, es muss mit Zinsen zurückgezahlt werden."

Derzeit flössen monatlich 250 Millionen Euro an Barmitteln aus dem Unternehmen ab. Je länger der Reisestopp gelte, desto eher würden auch Kunden ihre Anzahlungen zurückfordern. Der Mittelabfluss könne dadurch noch um 100 bis 200 Millionen Euro steigen. "Insofern müssen wir möglichst schnell versuchen, unser Geschäft wieder aufzunehmen."/jap/stw/fba

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