ROUNDUP: Kampfjetprojekt nimmt Hürde - Marineschiffbau wird Schlüsseltechnik

dpa-AFX · Uhr

BERLIN (dpa-AFX) - Nach monatelangem industriepolitischem Streit mit Frankreich gibt es einen Durchbruch bei dem Milliardenprojekt eines künftigen europäischen Luftkampfsystems (FCAS). Der Haushaltsauschuss des Bundestag stimmte am Mittwoch einer Vorlage zur Freigabe von 77,5 Millionen Euro für den Bau eines gemeinsamen Flugzeugmodells zu. Deutschland finanziert damit die Hälfte der Kosten dieses sogenannten Demonstrators.

Das Luftkampfsystem FCAS (Future Combat Air System) soll von 2040 an einsatzfähig sein. Das Rüstungsprojekt soll nicht nur einen Kampfflieger der neuen Generation bringen, sondern auch ein Gesamtsystem, das Drohnen oder Satelliten steuern kann. Ein erster Prototyp des Kampfjets selbst soll nach bisherigen Plänen 2026 fliegen. Der französische Flugzeugbauer Dassault ist gemeinsam mit Airbus bei dem Vorhaben federführend.

Ein industriepolitisches Ringen hatte das Projekt zuletzt gebremst, nachdem Bundestagsabgeordnete von Union und SPD im Mai 2019 in einem Schreiben an das Verteidigungsministerium die Berücksichtigung deutscher Interessen verlangt hatten. Das Luftkampfsystem FCAS und die Entwicklung eines neuen europäischen Panzers ("Main Ground Combat System"/MGCS) - beides deutsch-französische Projekte - bedeuten auch eine neue Aufteilung der Wertschöpfung in beiden Ländern.

Der Grünen-Politiker Tobias Lindner meldete am Mittwoch Bedenken an, auch wenn ein gemeinsames europäisches Projekt Sinn mache. "Grundlegende programmatische Fragen wie die geistigen Eigentumsrechte und die zukünftige Rolle Spaniens im Programm sind nach wie vor nicht ausreichend geklärt. Diese Fragen sind aber durchaus wichtig, um sicherzustellen, dass das Flugzeug auch innerhalb Deutschlands gewartet und in ein paar Jahrzehnten auch weiterentwickelt werden kann", so Lindner. Zentrale Weichenstellungen müssten gleich am Anfang richtig entschieden werden, sonst ergäben sich in ein, zwei Jahrzehnten Kostensteigerungen und Verzögerungen.

Während es auf französischer Seite traditionell eine große Nähe zwischen Staat und Rüstungsunternehmen gibt, hatten mehrere Bundesregierungen der Rüstungsbranche nach dem Ende des Kalten Krieges und mit dem scharfen Sparkurs in früheren Verteidigungsetats eine deutlich geringere strategische Bedeutung zugemessen. Inzwischen ist eine Reihe von Rüstungsbetrieben unter dem Einfluss internationaler Investoren.

Die Bundesregierung korrigiert unterdessen den Kurs in der Rüstungspolitik: In einem Strategiepapier stufte das Kabinett den Marineüberwasserschiffbau sowie die Elektronische Kampfführung am Mittwoch als sogenannte nationale verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien ein. Bei diesen soll eine rein nationale Auftragsvergabe ohne EU-weite Ausschreibung möglich sein. Der Schritt ist Teil eines Fünf-Punkte Planes. "Wir wollen industrielle Kernfähigkeiten und strategisch relevante Entwicklungskapazitäten in Deutschland wie auch in der EU erhalten und fördern", teilte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zu dem Strategiepapier mit.

Das Bundeskabinett bekannte sich zu einer Stärkung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, der eine strategische Bedeutung zukomme. Die Herausforderungen Deutschlands, der EU sowie der Nato seien in den zurückliegenden Jahren größer, volatiler und komplexer geworden", hieß es dazu. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sprach von einem "in Zeiten zunehmender innerer wie äußerer Bedrohung" wegweisenden Statement.

Das Papier wurde gemeinsam vom Wirtschaftsministerium, dem Verteidigungsministerium und dem Innenministerium mit dem Auswärtigen Amt und weiteren Ressorts erarbeitet. Es sieht vor, Forschung und Entwicklung zu stärken sowie Exporte politisch zu flankieren und verantwortungsvoll zu kontrollieren. Zum "Schutz von Sicherheitsinteressen" wird in dem Strategiepapier nun die Notwendigkeit eines effektiven Schutzes vor sicherheitsgefährdender Einflussnahme durch Drittstaaten auch durch Investitionsprüfungen betont.

Um den Marineschiffbau hatte es zuletzt Streit gegeben. Grund war die Vergabe des 5,3-Milliarden-Euro-Auftrags für deutsche Mehrzweckkampfschiffe (MKS 180) an ein niederländisch geführtes Konsortium, das bei Blohm und Voss in Hamburg bauen lassen will. Die Kieler Werft German Naval Yards mit der ebenfalls in Kiel ansässigen Werft Thyssenkrupp Marine Systems als Subunternehmen scheiterte mit ihrem Angebot. German Naval Yards ist gegen die Vergabe juristisch vorgegangen.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat kürzlich - auch im Namen seiner Kollegen aus Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern - einen Brandbrief an Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) zur Zukunftssicherung des militärischen Überwasserschiffsbaus in Deutschland geschickt. Günther schlug einen Krisengipfel vor und nannte als Ziel, "das Know-how des deutschen Marineschiffbaus, die Technologieführerschaft und damit die nationale Souveränität zu erhalten"./cn/DP/nas

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